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Plötzlich Führungskraft 10 Tipps (nicht nur) für frischgebackene Chefs
Die ersten 100 Tage entscheiden meist über den Erfolg einer Führungskraft. Wer in dieser Zeit größere Fehler macht, bekommt schnell kein Bein mehr auf den Boden. Wir geben Ihnen 10 Tipps für den Führungserfolg.
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Ein 33-jähriger Ingenieur wird zum Leiter der Konstruktionsabteilung ernannt. Voller Elan geht er ans Werk. Flugs gestaltet er gleich in den ersten Tagen zentrale Arbeitsabläufe in der Abteilung um. Zudem streicht er die gewohnten Besprechungen am Wochenanfang, die er als Zeitverschwendung empfindet. Danach beschäftigt er sich wochenlang vor allem mit dem Austüfteln eines neuen Projektmanagement-Systems. Damit möchte er Pluspunkte bei der Firmenleitung sammeln. Anfangs lassen sich die Mitarbeiter vom Elan ihres neuen Vorgesetzten inspirieren. Hoch motiviert arbeiten sie in den ersten drei, vier Wochen. Immerhin werden bei einem Führungswechsel teilweise auch die Karten innerhalb der Abteilung neu gemischt und folglich möchte jeder beim neuen „Chef“ punkten. Doch dann fällt ihre Leistung spürbar ab. Warum?
Die Mitarbeiter als Mitstreiter gewinnen
Ein zentrales Versäumnis des neuen Leiters der Konstruktionsabteilung war: Er holte seine Mitarbeiter nicht „mit ins Boot“. Weder informierte er sie über seine Arbeit, noch nutzt er ihre Erfahrung. Deshalb fragten sich die Angestellten irgendwann: Womit beschäftigt der sich eigentlich den ganzen Tag? Der neue Vorgesetzte vermittelte seinen Mitarbeitern keine Vision dessen, wie sich die Zusammenarbeit künftig gestalten sollte. Und er verständigte sich mit ihnen auch nicht auf Ziele, die es bei der gemeinsamen Arbeit zu erreichen galt.
Also legten sich die Mitarbeiter zwar anfangs ins Zeug, um dem Neuen zu signalisieren: Ich bin ein guter Mann beziehungsweise eine gute Frau. Doch dann registrierten sie: Unser neuer Chef interessiert sich kaum für uns und unsere Arbeit; er ist weitgehend mit sich selbst beschäftigt. Also schalteten sie ein, zwei Gänge herunter. Das heißt: Ihr anfänglicher Elan erlahmte – auch weil ihnen die nötige Orientierung im Arbeitsalltag fehlte.
Wie können junge Führungskraft solche Prozesse vermeiden? Grundsätzlich gilt, dass ein Vorgesetzter im Gesprächen mit den Mitarbeitern zunächst einige Dinge ermitteln sollte – und zwar bevor er gegebene Strukturen umkrempelt:
- Wie war die Arbeit in meinem Bereich bisher organisiert?
- Von welchen Maximen ließen sich die Mitarbeiter bei ihrer Arbeit leiten? Und:
- Welche Wünsche und Vorstellungen haben diese bezüglich der künftigen Zusammenarbeit?
Außerdem sollte den Mitarbeitern vermittelt werden, inwieweit ihre Erwartungen realistisch sind, welche (übergeordneten) Ziele es bei der Zusammenarbeit zu erreichen gilt und welche Rolle sie selbst beim Erreichen der gemeinsamen Ziele spielen. Im Anschluss sollte die Führungskraft mit jedem Mitarbeiter im Vier-Augen-Gespräch klären: Wo stehen Sie? Wo wollen Sie hin? Und: Was brauchen Sie, um diese Ziele zu erreichen?
Erst mit diesen Informationen im Hinterkopf, kann und sollte ein Vorgesetzter Abläufe und Zuständigkeiten neu definieren – und zwar so, dass die Mitarbeiter zielgerichtet arbeiten und ihren Beitrag zum Erreichen der übergeordneten Ziele leisten können. Dabei sollten sich Führungskräfte stets vor Augen führen: Ihre Leistung wird letztlich an der Leistung ihres Teams gemessen. Folglich sind ihr beruflicher Erfolg und ihr berufliches Fortkommen, so paradox dies klingt, weitgehend abhängig von den Personen, die ihnen untergeben sind. Das ist gerade vielen jungen Führungskräften nicht ausreichend bewusst.
Auf Führungsaufgaben konzentrieren
Zurück zum Beispiel. Denn der neue Leiter der Konstruktionsabteilung beging einen weiteren Fehler: Er verwendete (oder verschwendete) die meiste Energie für Fachaufgaben. Solche Aufgaben sollten Vorgesetzte allerdings nur dann erledigen, wenn dies außer ihnen niemand tun kann. Sonst fehlt ihnen die erforderliche Zeit für ihre Führungs- und Steuerungsaufgaben. Hierzu zählen unter anderem alle Gespräche, die sie als „Chef” mit den Angestellten führen müssen, damit diese ihren Beitrag zum Erreichen der Bereichs- und Unternehmensziele leisten (können).
Die hierfür benötigte Zeit wird von Führungskräften oft unterschätzt. So entspricht die Zeit, die sie für Fach-, Steuerungs- und Führungsaufgaben verwenden, bei vielen Vorgesetzten nicht deren Bedeutung für ihren Erfolg als Führungskraft. Arbeitsanalysen zeigen: Die meisten Mitarbeiter in leitenden Positionen verbringen 80 Prozent ihrer Zeit mit Fachaufgaben; nur zu jeweils 10 Prozent sind sie mit Steuerungs- und Führungsaufgaben beschäftigt. Dabei sollte das Verhältnis nahezu umgekehrt sein. Als Kompass für den Führungserfolg gilt: Vorgesetzte sollten höchstens 20 Prozent ihrer Zeit für Fachaufgaben verwenden, 40 Prozent jeweils für Steuerungs- und Führungsaufgaben. Denn Führungskräfte werden nicht dafür bezahlt, Fachaufgaben zu erfüllen.
Die erforderliche Leistung sicherstellen
Die Hauptaufgabe eines Vorgesetzten ist es, dafür zu sorgen, dass jeder Angestellte seinen Beitrag dazu leistet, dass der Bereich beziehungsweise das Unternehmen seine Ziele erreicht. Doch wie lässt sich die hierfür nötige Leistung bei den Mitarbeitern erzeugen? Das wissen viele junge Führungskräfte nicht. Unabdingbar ist, dass Vorgesetzte mit ihren Kollegen regelmäßig über ihre Erwartungen an sie sprechen. Vor diesen Gesprächen sollten sich Vorgesetzte überlegen:
- Wie kann ich dem Mitarbeiter die Ziele, die er bei seiner Arbeit erreichen soll, so vermitteln, dass er deren Wichtigkeit erkennt? Und:
- Wie motiviere ich ihn dazu, dass er die für das Erreichen der Ziele nötigen Dinge wirklich tut?
In diesen Gesprächen sollten Führungskräfte folgende Regel beherzigen: Stellen Sie nie das Ziel, das es zu erreichen gilt, zur Diskussion. Dieses ist nicht diskutabel! Sprechen Sie mit den Angestellten daher nur über den Weg, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Denn wenn ein Mitarbeiter mitbestimmen kann, wie er dabei vorgeht, ist er in der Regel motivierter, als wenn ihm jeder Arbeitsschritt vorgeschrieben wird. Außerdem entlastet es den Vorgesetzten, wenn die Mitarbeiter weitgehend selbstständig entscheiden, wie sie ihre Aufgaben erfüllen.
Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen Arbeitsanweisungen sinnvoller sind als Zielvorgaben – zum Beispiel unter extremem Zeitdruck. Wenn ein Schiff sinkt, kann der Kapitän nicht mit der Mannschaft darüber diskutieren, ob die Rettungsboote ins Wasser gelassen werden. Vielmehr muss er knappe und präzise Befehle erteilen. Intelligente Mitarbeiter akzeptieren das. Eine Vorgesetzter sollte sein Führungsverhalten daher stets der jeweiligen Situation anpassen, aber auch dem jeweiligen Gegenüber. Wenn ein Angestellter eigeninitiativ nicht die erforderliche Leistung bringt, muss er an der „kurzen Leine“ geführt werden – und zwar vor allem mittels Arbeitsanweisungen.
Die Zielerreichung steuern und kontrollieren
Das „Ziele vereinbaren“ oder „Anweisungen erteilen“ ist jedoch nur der erste Schritt im Führungsprozess. Denn wenn ein Angestellter das Ziel kennt, muss er auch seine Aufgaben erfüllen. Diese Umsetzung beziehungsweise das Erreichen von Teilzielen sollten Führungskräfte kontrollieren. Denn sonst können sie irgendwann nur noch registrieren: Die Ziele wurden nicht erreicht. Ein Gegensteuern ist dann nicht mehr möglich.
„Kontrollieren und steuern“ lautet folglich Step 2 im Führungsprozess. Die Kontrolle kann sich – je nach Mitarbeiter und Bedeutung der Aufgabe – auf das Erreichen bestimmter Teilziele oder das Durchführen der hierfür nötigen Arbeitsschritte beziehen. Was der Situation und dem Mitarbeiter angemessen ist, müssen Vorgesetzte dabei jeweils neu entscheiden. Klar sollte aber sein: Ein Kollege, den sie an der kurzen Leine führen müssen, verursacht Mehraufwand. Deshalb ist seine Arbeit weniger wert. Das sollte ihm, sofern nötig, auch gesagt werden.
Auf die Kontrolle folgt im Regelkreis des Führens das Anerkennen oder Kritisieren der Leistung des Mitarbeiters. Doch wie erkennt ein Vorgesetzter, ob diese angemessen ist? Und sollten Kollegen für alles Erreichte und Getane loben? Die Antwort lautet: Jein. Führungskräfte sollten zwischen Lob und Anerkennung sowie Tadel und Kritik unterscheiden. Lob und Tadel sind immer persönlich und allgemein. Anerkennung und Kritik beziehen sich dagegen auf eine bestimmte Leistung des Angestellten. Deshalb sollten sie stets sachlich und konkret sein. Anerkennung und Kritik sollten Vorgesetzte in der Regel nur unter vier Augen äußern.
Nicht vorschnell entscheiden und agieren
Ein letzter Tipp für frischgebackene „Chefs”: Im Führungsalltag führen meist viele Wege zum Erfolg. Nur einer nicht: Von Anfang an alles anders machen zu wollen als der Vorgänger. Zum einen produziert dieser Versuch in der Regel Widerstand, zum anderen fehlt Ihnen als Neuer in der Abteilung hierfür meist das erforderliche Know-how. Treffen Sie deshalb, wenn Sie eine neue Führungsposition antreten, in den ersten zwei, drei Wochen keine wegweisenden Entscheidungen. Bemühen Sie sich zunächst vielmehr darum, die Arbeitsweise und die Handlungsabläufe in Ihrer neuen Abteilung kennen zu lernen. Und sagen Sie dies auch Ihren neuen Mitarbeitern – selbst wenn diese Sie mit noch so vielen Anfragen wie „Chef, wie geht es weiter“ bestürmen. Denn schon viele Führungskräfte schaufelten sich ihr eigenes Grab, indem sie in der Startphase vorschnell weitreichende Entscheidungen trafen – oder weil sie ihren Angestellten Versprechen gaben, die sie dann nicht einlösen konnten.
Dieser Artikel erschien zuerst bei elektronikpraxis. Verantwortlicher Redakteur: david.franz@vogel.de
* Stefan Bald ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal.
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