Pro & Contra Burrack vs. Meichle – Werbung ist Kunst (!?)
Thomas Meichle und Heiko Burrack haben zu einigen Themen eine sehr ähnliche Meinung. Bei anderen Fragen sehen sie die Dinge dagegen gänzlich anders. Diesmal haben wir die beiden mit der Frage: „Werbung ist Kunst“ in den Kampf der Argumente geschickt. Wer die besseren hat? Machen Sie sich selbst ein Bild!
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Bereits im letzten Pro & Contra-Beitrag der Herren Burrack – Meichle hatte ich berichtet, dass ich in diesem Jahr erstmals in der Jury des GWA Profi sitze. Mittlerweile habe ich die 55 (!) Einreichungen gesichtet – und bin begeistert. Von der Vielfalt der Ideen, von ihrer Kreativität und Intelligenz, von dem Mut und der Liebe zum Produkt, die aus den Kampagnen spricht. Ja, Werbung ist Kunst! Das sage ich nach Sichtung der Einreichungen zum GWA Profi mehr denn je.
Thomas Meichle: Werbung ist Kunst!
„Werbung ist Kunst!“ Dieser Satz stammt von Michael Schirner, dem Gründer der legendären Werbeagentur „GGK“. Die Aussage, dass Werbung Kunst sei, war schon damals (vor gut 30 Jahren) umstritten. Heute wirkt sie vermutlich noch extremer und deshalb für mich umso richtiger!
Wer Werbung macht, und zwar in dem Sinne, wie ich Werbung verstehe: als Entwicklung normbrechender Ideen, um Produkte oder Leistungen zu inszenieren, der nutzt unzweifelhaft die Elemente der Kunst. Malerei, Fotografie, Musik, Sprache, Film, Design, Animation mit all diesen Zutaten wird Werbung gemacht. Die Menschen, die Kampagnen und Ideen entwickeln und umsetzen sind für mich dann folgerichtig „Werbekünstler“. Das mag jetzt dem einen oder anderen Leser zu gestelzt klingen – umso besser. Bei all den profanen und mittelmäßigen Werbeattacken, die ich täglich aushalten muss, könnte mehr Kunst nicht schaden.
Werbung ist Kunst, weil sie Kreativität braucht. Auch wenn heute alle Welt „kreativ“ sein soll – zum Beispiel beim Gartengestalten, Wohnung einrichten, Essen zubereiten, Mode einkaufen und so weiter – dann ist die Werbekreativität doch viel mehr. Es geht um Auftragskunst. Es geht um die Kunst, vorgegebene Inhalte und Botschaft so zu interpretieren und inszenieren, dass mehr als „nur Information“ entsteht. Dafür setzt die Werbung auf Überraschung, auf Provokation, auf Idealisierung, auf Emotion und auf Schönheit. Diese Attribute gelten auch für Gemälde, Opern, Filme, Romane, also Produkte, die wir unzweifelhaft dem Sektor Kunst zuordnen.
Dass Werbung von Unternehmen in Auftrag gegeben wird, dass es um banale Alltagsdinge wie Zahnpasta, Baumärkte oder Autos geht und dass Teams daran arbeiten, die unter hohem Zeitdruck Ideen entwickeln, die auch noch bezahlbar sein müssen, ändert nichts am Anspruch Kunst zu produzieren. Letztlich steckt in der Werbung der Zeitgeist. Die vielen Bildbände und Ausstellungen über Werbeplakate und Anzeigen aus den 50er und 60er Jahren sind der Beweis, dass die Werbeprodukte Eingang in die Kunstszene gefunden haben. Dafür müssen sie nicht erst ein halbes Jahrhundert alt sein. Wer heute schon Werbung als Kunst versteht, wird sich bemühen, bessere Ergebnisse zu liefern. Auf höherem Niveau, mit besserem Design und anspruchsvolleren Texten. So entsteht ein Blick auf die Alltags-Konsumwelt unserer Zeit. Ich bin sicher, dass die herausragenden Werbefilme von heute in hundert Jahren Objekte der Begierde sein werden. Also Kunst!
Heiko Burrack: Werbung ist Kunst – NICHT!
Wenn man im Netz nach dem Begriff Selbstbewusstsein sucht, bekommt nach dem üblichen Wikipedia-Eintrag ganz viele Tipps, wie man dieses stärken kann. Um einen Hinweis kann man diese Liste noch sinnvoll ergänzen: Überhöhe Dein berufliches Schaffen weit über das hinaus, was Du eigentlich den ganzen Tag tust. Addiere mindestens eine weitere Dimension hinzu, die im Idealfall noch eine kulturelle Komponente umfasst. Geht man so vor, wird aus einem scheinbar profanen Job, etwas das weit darüber hinaus reicht. Genau dies geschieht, wenn man Werbung in einen Zusammenhang mit Kunst stellt und beides miteinander vermengt.
Nur nochmals zur Erinnerung: Werbung soll schlicht und ergreifend, dem Kunden helfen seine Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. „Wir sind der verlängerte Arm des Außendienstes!“, sagte mir einmal ein langjährig gedienter Agenturgeschäftsführer. Ein solcher Satz und das damit verbundene Schaffen ist natürlich sehr bodenständig. Es hat nichts mit Glamour zu tun und ist massiv poesiefrei. Aber auch das stimmt: In diesen Zeiten einfach zu verkaufen, und dies auch noch intelligent und nicht mit der Brechstange zu tun, ist wirklich nicht einfach. Ich verzichte hier gerne darauf, die allseits bekannten Buzzwörter wie schwindende Markenloyalität, steigender Informationsüberfluss und so weiter zu nennen. Ist dies nicht ausreichend, um mit ein wenig Stolz auf sein Schaffen zu Blicken?
Der Punkt scheint mir nun zu sein, dass diese herausfordernde Aufgabe des einfach nur Verkaufens, bei einigen Leuten eben genau dafür nicht genug ist. Sie brauchen mehr. Sie müssen ihr Ego pimpen. Nur der kraftvolle Motor des Außendienstes zu sein, ist einfach zu trivial. Was ist in einer solchen Situation besser, als die Nähe zur Kunst zu suchen und sich so aufzuwerten.
Durch diesen „Kunstgriff“ erreicht man, dass sein Job eben nicht mehr einfach nur profan erscheint. Man reiht sich mit seinen Arbeiten in die Welt der großen und zeitlosen Menschen ein, von denen es einige zu Heroen gebracht haben. Zwar weiß jeder, dass dieser Versuch am Ende des Tages nicht erfolgreich sein wird. Man wird als Werber immer als mindestens zweitklassig empfunden, aber dennoch gibt es Kraft und schmeichelt.
Ich bin der festen Überzeugung, dass es dieses Aufmotzen durch eine scheinbar höhere Dimensionen der kulturellen Art einfach nicht braucht. Die Aufgabe den Absatz des Kunden anzukurbeln, ist heute schwierig genug. Alleine daraus sollte man genug Honig für das eigene Selbstbewusstsein saugen können.
* „Werbung ist Kunst“ – ja oder nein? Wir freuen uns auf Ihre Meinung! Nutzen Sie die Kommentar-Funktion unter diesem Beitrag oder schreiben Sie direkt an Thomas Meichle oder Heiko Burrack!
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Pro & Contra
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