Führungskräfte unter Druck Der Teufel trägt Joggingschuhe

Autor / Redakteur: Boris Gloger* / Johanna Erbacher

Steigender Wettbewerb und immer stärkere Einsparungen führen dazu, dass Projekte kostengünstiger, schneller und mit weniger Personalaufwand durchgeführt werden müssen. Dies hat zur Folge, dass sich deutsche Manager Burnout gefährdet sehen. Doch wie ist dieses immense Arbeitspensum noch zu schaffen? Es ist Zeit für einen Systemwechsel!

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Jede zweite Führungskraft will künftig nur noch maximal 39 Stunden die Woche arbeiten.
Jede zweite Führungskraft will künftig nur noch maximal 39 Stunden die Woche arbeiten.
(Bild: gemeinfrei / CC0 )

Das alte Jahr neigt sich dem Ende zu, 2019 klingelt schon an der Tür, und Deutschlands Managerelite hängt in den Seilen. Sie macht kollektiv schlapp, kränkelt plötzlich und ist auf Entzug. Hormon-Junkies - weil der Geist nicht mehr gestresst ist, schüttet der Körper auf einmal viel weniger Kortisol und Adrenalin aus. Das Immunsystem beginnt zu schwächeln, weil es abrupt die Drehzahl runterfährt. Mal nicht hochtourig unterwegs sein – das kennt es gar nicht und spielt verrückt. Und das alles ausgerechnet jetzt, wo doch die Festtage ganz der Familie gehören sollen. Schöne Bescherung!

Alles muss sich ändern

Es verwundert also nicht, dass wir zwar ermattet, aber hoch motiviert die besten Vorsätze fürs neue Jahr fassen: Alles muss sich ändern - weniger rauchen, gesünder ernähren, Arbeitszeit reduzieren. Jede zweite Führungskraft, so zeigt unsere neue Studie mit der Hochschule Augsburg, will künftig nur noch maximal 39 Stunden die Woche arbeiten –also weniger als die Regelarbeitszeit für Arbeitnehmer überhaupt vorsieht. Für die Leistungselite Deutschlands erscheint das auf den ersten Blick überraschend unambitioniert, schließlich galt Klotzen bis zum Limit ja lange Zeit als eine der wichtigsten Manager-Tugenden. Doch erklärbar ist das: den Managern geht sprichwörtlich die Puste aus. Jeder fünfte Entscheider kann schwer oder gar nicht mehr abschalten, jeder zehnte sieht sich sogar in hohem Maße Bournout gefährdet, belegt unsere Untersuchung.

Bei der Analyse ihrer Situation erlebe ich immer wieder, dass Manager sich als Opfer des Systems sehen: Ein verschärfter Wettbewerb mit immer neuen Sparrunden wird als Ursache dafür angegeben, dass mehr Projekte in weniger Zeit mit weniger Manpower und weniger Budget zu stemmen sind. Der Druck steigt also kontinuierlich. Und wie reagieren die Manager darauf? So, wie sie darauf konditioniert sind: sie versuchen mit aller Macht ihre Performance zu steigern – im Job wie im Privatleben. Marathon, Triathlon, Mountain-Biking extrem – vordergründig alles nur, um einen Ausgleich zum Job zu schaffen. Doch tatsächlich dient das wesentlich dazu, die eigene berufliche Leistungsfähigkeit weiter zu steigern. Schon längst werden die Führungsebenen von asketischen Selbstoptimierern besetzt, weil die barocken Genussmenschen bei den auf C-Level spezialisierten Headhuntern schon lange aus dem Raster fallen. Wenn das äußere Erscheinungsbild schon so viel Gemütlichkeit ausstrahlt, wo soll da noch die Power für den harten Arbeitsalltag herkommen, oder?

Wir brauchen Schlaf, Ruhe und Regeneration

Das System pervertiert sich damit selbst. Mag der Glaube an ein ständiges, weiteres Wirtschaftswachstum in einer sich immer schneller drehenden Businesswelt auch unerschütterlich sein, uns selbst sind – je nach Blickwinkel – zum Glück bzw. bedauerlicherweise Grenzen gesetzt. Wir brauchen Schlaf, Ruhe, Regeneration. Und eigentlich je mehr, desto stärker uns die Digitalisierung mit all ihren Konsequenzen auf Trab hält. Schon jetzt sind psychische Erkrankungen der zweihäufigste Grund für Krankschreibungen. Tendenz steigend. Zu glauben, wir müssten einfach noch härter an uns arbeiten, um der totalen Erschöpfung zu entkommen, ist naiv.

Und vielleicht sollten wir die ruhigen, besinnlichen Tage deshalb viel eher nutzen, um über einen Systemwechsel nachzudenken. Das klingt radikaler als es ist. Aber wer als Führungskraft seinen beruflichen Alltag ehrlich analysiert, kommt schnell zu dem Schluss, dass viel zu viel Zeit eigentlich völlig unproduktiv verdaddelt wird – in Meetings, mit sinnloser E-Mail-Korrespondenz und ewigen Abstimmungsschleifen. Warum eigentlich? Weil wir Angst haben, zu entscheiden, also drehen wir Runde um Runde, um uns möglichst gut abzusichern. Und dabei verlieren wir genau das, was doch so wichtig ist: Zeit. Und noch etwas: Wir sitzen in unseren abgeschirmten Büros und Konferenzräumen wie in einem Kokon – weit abgeschnitten vom Tagesgeschäft und der tatsächlichen Produktentwicklung. Das verschärft wiederum die Unsicherheit vor Entscheidungen. Wenn also die eigenen Mitarbeiter viel näher am Markt sind, warum geben wir ihnen dann nicht endlich mehr Entscheidungsfreiheit? Und wenn wir so unsicher sind, wie der Markt tickt, warum bauen wir nicht Hierarchien ab, und bekommen selbst wieder einen besseren Einblick, was wirklich zu tun ist? Und wenn die Komplexität steigt, warum beginnen wir nicht endlich damit, Teams aus unterschiedlichen Fachbereichen zusammenzuführen? All das wird bereits längst in der Praxis umgesetzt. Agile Managementmethoden wie Scrum führen dazu, dass etwa Produkte schneller und besser entwickelt werden.

Schlaf ist der neue Sex

Nur bloß nicht die hieraus gewonnene Zeitersparnis für eine weitere Selbstoptimierung nutzen. Wer wirklich etwas für seine Regenerationsfähigkeit tun möchte, schläft. Schlaf ist der neue Sex, sagt die amerikanische Zukunftswissenschaftlerin Marian Salzman. Denn: Der Produktivitätsverlust wegen Schlafmangel kostet allein die deutsche Volkswirtschaft rund 60 Milliarden Dollar. Hinter dieser Summe stecken eine höhere Sterblichkeit wegen weniger Schlaf, Ausfälle durch Krankheiten, schlechte Konzentration und sinkende Entscheidungsqualität. Deshalb: Schlaf – mindestens sieben Stunden – ist überhaupt die Voraussetzung, um geistige und körperliche Leistung erbringen zu können. Das schließt Bewegung natürlich nicht aus: Doch statt des mehrstündigen Trainings für den Ironman reicht schon ein Abendspaziergang: Er versorgt unsere 100 Billionen Zellen mit Sauerstoff und baut gleichzeitig Kortisol ab. Gute Laune unterm Weihnachtsbaum ist damit (fast schon) garantiert.

*Boris Gloger ist Geschäftsführer der borisgloger consulting GmnH.

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