Experteninterview Die Zukunft von Präsenz-Messen und Events im B2B
Klassische Präsenz-Messen und Events wurden 2020 der Reihe nach abgesagt. Dafür aber wurden hybride Formate oder Online-Varianten angeboten. Ist das die Zukunft von Messen und Events oder haben Präsenz-Veranstaltung noch eine Chance? Wir haben dazu mit Thomas Brückle gesprochen.
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Lange konnten keine Präsenz-Messen und Events stattfinden. Doch stillgestanden hat die Branche in dieser Zeit nicht. Im Gegenteil: Viele Unternehmen im B2B haben neue und innovative Formate entwickelt, um ihren Kunden trotzdem weiterhin Erlebnisse zu bieten und mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Digitale Events und hybride Messen waren bis vor Kurzem quasi bereits gang und gebe. Doch jetzt wo sich die Regeln langsam lockern und Präsenz-Veranstaltungen wieder stattfinden können, stellt sich die Frage: Haben Präsenz-Messen und Events im B2B eine Zukunft?
Was Online-Events nämlich nicht bieten können, ist der persönliche Austausch und Zufallsbegegnungen zwischen Menschen und mit neuen Produkten.
Interview mit einem Messe- und Event-Experten
Wir haben dazu mit Thomas Brückle, Bereichsleiter Marketing bei der Geberit Vertriebs GmbH, gesprochen. Dabei hat Thomas in den letzten beiden Jahren einiges im Bereich Messe und Event ausprobiert und berichtet aus seinen bisherigen Erfahrungen, in welche Richtung sich der Bereich Messe und Event in Zukunft entwickeln wird.
marconomy: Wann habt ihr angefangen euch mit dem Thema virtuelle Messen und Events zu beschäftigen?
Thomas: COVID war für uns der Auslöser, uns mit virtuellen Messen und Veranstaltungen zu beschäftigen. Am Anfang ging es uns wahrscheinlich genauso wie vielen anderen B2B-Unternehmen: Es wurde zwar schon länger über digitale Veranstaltungen gesprochen, aber ausprobiert wurde es nie. Doch der Ausruf des Lockdowns war unser Weckruf und wir begannen, uns von einer Sekunde auf die andere mit digitalen Veranstaltungen zu beschäftigen. So kam es, dass wir sogar mit unserer ersten digitalen Messe, der Geberit-Webfair, in der ersten Woche des Lockdowns starteten. Eigentlich hatten wir bereits den LKW für die geplante Präsenz-Messe gepackt - den haben wir dann direkt wieder ausgeladen. Anschließend bauten wir einen Stand bei einem Messebauer auf, der zum Glück eine freie Messehalle hatte. Dann digitalisierten wir die Produktexponate mit einer 3D-Kamera im virtuellen Raum. Damit haben wir bis zum Messestart Präsentationsvideos der Produktexponate gemacht und diese dann in einen 3D-Rundgang integriert. Das war für uns das erste agile Marketing. Und wir haben es tatsächlich geschafft: Wir haben den "Besuchern" während der Messe ein digitales Erlebnis geboten.
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Ihr habt dabei auch viel ausprobiert. Beispielsweise wart ihr Teil von zwei digitalen Messen, der MesseQ und der ISH Digital. Welche Erfahrungen konntet ihr dabei machen?
Ja, wir haben eine interessante Erfahrung machen können: Kleine Anbieter wie MesseQ schneiden mit ihren digitalen Veranstaltungen besser ab als große Messen. Außerdem ist bei großen Messen nicht die gleiche Verbindlichkeit da, schlussendlich auch an der Messe teilzunehmen. Das heißt natürlich nicht, dass wir deswegen nicht mehr bei einem etablieren Messeanbieter ausstellen würden. Geberit gehört schließlich zu den führenden Marken der Branche und wird damit auch in Zukunft in jedem Fall auch an etablierten Messen wie der ISH Digital teilnehmen. Letztendlich gibt für Messen kein „ Back to normal“ mehr. Die Messe Frankfurt hat zum Beispiel bereits angekündigt, zukünftig alle Messen auch digital auszurichten.
Wie haben das die „Besucher“ angenommen, was sagen Sie zu einer digitalen Messe?
Die rein digitalen Formate sind von Anfang an sehr gut angenommen worden. Doch bei unseren Befragungen haben wir festgestellt, dass sich der Trend eindeutig zu hybriden Formaten hin entwickelt. Wobei dabei noch zwischen synchronen oder den asynchronen Formaten unterschieden werden muss. Es ist das asynchrone, das zeitlich versetze Format, was die Kunden wollen.
Des Weiteren konnten wir eine wachsende Fankultur für die digitalen Veranstaltungen beobachten. Für viele bedeutet eine digitale Veranstaltung auch eine Zeitersparnis. Aber es gibt auch immer noch viele, die Präsenzveranstaltungen präferieren und gerne auch wieder vor Ort sein möchten. Schließlich geht es bei Messen und Veranstaltungen um Kundenkontakt und darum die Produkte zu begreifen und auch wirklich in die Hand nehmen zu können.
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Neben den Messen habt ihr euch auch noch mit digitalen Kundenveranstaltungen befasst und diese selbst durchgeführt, wie beispielsweise den Geberit Neuheitentreff 2021. Welches Konzept steckt dahinter?
In 2021 wollten wir einen Schritt weiter gehen und eine digitale Live-Veranstaltung umsetzen. Der digitale Geberit Neuheitentreff war erneut ein Ersatz für eine ausgefallene Roadshow. Wir haben uns somit etwas Neues ausgedacht: Wir bauten ein kleines Fernsehstudio mit insgesamt drei Stationen entsprechend der Produktbereiche bei uns in der Halle auf. An den Produktstationen konnten wir dann später live unsere Neuheiten zeigen. Mit einem Moderator, einem Co-Moderator und den Produktmanagern waren wir jeweils immer für eine Stunde live im Dialog. Insgesamt haben wir über eine eigens konzipierte digitale Plattform 24 Live-Veranstaltungen ausgerichtet. Das Besondere daran war zudem, dass es nicht nur einen Livestream gab, sondern auch einen Livechat. In diesem konnten die Kunden während der Veranstaltung Fragen stellen. Die Fragen wurden dann in einem Backoffice beantwortet und zusätzlich auf das iPad der Moderatoren gespielt, um so mit den Kunden zu interagieren.
Haben Präsenz-Messen und Events eine Zukunft?
Ganz klar: Präsenz-Messen werden weiterhin wichtig sein. Es muss Präsenz-Messen geben - vor allem weil es gerade im B2B Bereich Produkte gibt, die ausgestellt und von den Kunden physisch begutachtet werden müssen. Die Welt der Präsenz-Messen und Veranstaltungen wird daher wieder aufleben. Es zeigt sich jedoch, dass es in Zukunft eine Mischung aus digitalen und physischen Kontakten geben wird. Denn digitale Events und Messen werden weiterhin mehr und mehr Akzeptanz entwickeln. Dabei wird die Anzahl der physischen Events eher abnehmen, da sich die Besucher auch auf den neuen digitalen Kanälen verteilen werden. Große Messegesellschaften werden nicht umhin können, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. So wird zum Beispiel die Abrechnung auf der Basis des Quadratmeterpreises in Zukunft nicht mehr herhalten können.
Digitale Formate funktionieren im Vergleich zu Live-Formaten länger. So lassen sich aus aufgezeichneten Videos später noch weiterer brauchbarer Content entwickeln. Regionalität, Überregionalität, Ortsunabhängigkeit, Zeitunabhängigkeit: Das sind die Chancen, die digitale Formate bieten. Mehr Komplexität, mehr Kosten und eine geringere Marge stellen hingegen Risiken dar. Es bleibt also abzuwarten, wie die Branche letztlich damit umgehen wird.
Mehr dazu im B2B Hero Podcast
Mehr dazu hat Thomas im B2B Hero Podcast erzählt. Neugierig?
Dann hören Sie gleich rein:
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