Interview Is this a Man’s World? Als Frau beim MedTech-Startup
Der typische Gründer oder Startup-Mitarbeiter ist weiß, männlich und 34 Jahre alt – das sagen die Statistiken. Doch das Bild beginnt sich zu wandeln. Bettina Brammer ist ein Beispiel dafür: Sie hat sich an einem MedTech-Startup beteiligt und leitet dort das Marketing. Wir haben mit ihr darüber gesprochen.
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Im Jahr 2017 gründeten Männer etwa zwei Drittel aller neuen Unternehmen; bei den innovativen und schnell wachsenden Startups waren es laut Deutschem Startup Monitor 2017 sogar knapp 90 Prozent. Aber auch immer mehr Frauen steigen in die Start-Up-Welt ein. Bettina Brammer ist als Gesellschafterin in einem E-Health-Startup ein gutes Beispiel dafür. Das Startup, in das sie investiert hat, heißt VivoSensMedical und hat OvulaRing entwickelt – einen Biosensor vor allem für Kinderwunschpatientinnen. Bettina Brammer gehört selbst zur Zielgruppe. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, was es bedeutet in ein Start-up einzusteigen, warum ihr eigener Hintergrund mit ihrem Marketing-Job zusammen passt und wie sie Unternehmen und Familie unter einen Hut bringt.
Sie haben Anfang 2014 in das Startup VivoSensMedical (VSM) investiert. Warum?
Bettina Brammer: Ursprünglich bin ich wegen des Jobs als Marketing- und Vertriebsleiterin zur VSM gekommen. Dann gab es relativ schnell eine Finanzierungsrunde. Die Geschäftsführung hat mir dann Anteile angeboten, das war natürlich ein riesiger Vertrauensbeweis. So kam es, dass ich ziemlich schnell Gesellschafterin wurde. Das war meine erste Investition in ein Unternehmen überhaupt. Und bis heute bereue ich es null. Mit OvulaRing kann ich mich zu 100 Prozent identifizieren.
Ihr Engagement bei der VivoSensMedical GmbH hängt mit Ihrer eigenen Biografie zusammen. Richtig?
Ja, denn mein Kinderwunsch blieb lange unerfüllt. Hätte ich früher von OvulaRing erfahren, wäre mir einiges erspart geblieben. Somit gehöre ich 100 Prozent zur Zielgruppe: Frauen zwischen 30 und 45 Jahren alt, die ein Kind planen oder auf natürlichem Weg verhüten wollen. Ich finde schon, dass es richtig ist, wenn man im Marketing aus dem ganz persönlichen Erfahrungsschatz schöpfen kann. Und das ist bei mir definitiv der Fall.
Wo steht das Unternehmen heute?
Der Markteintritt mit OvulaRing in Deutschland ist geschafft. Nun stehen wir an der Schwelle zum Marktwachstum. Wir wissen, dass es geht. Wir wissen, wie es geht. Wir wissen, dass der OvulaRing funktioniert. Das hat auch Exeltis erkannt, mit dem Pharmaunternehmen haben wir seit Mai 2017 eine Vertriebskooperation für den deutschen Markt. Zusätzlich streben wir eine weitere Finanzierungsrunde an, um weitere Produkte auf den Markt zu bringen und die Vermarktung und Internationalisierung schneller vorantreiben zu können. OvulaRing ist ein erklärungsbedürftiges Produkt, das durch die Möglichkeiten, die es bietet, zu einem Paradigmenwechsel in der Therapie von Kinderwunschpatientinnen führen wird. Hier muss jedoch noch Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Woran könnte das liegen?
Es gibt da drei entscheidende Punkte: Potenzielle Investoren sind eher männlich. Kinderwunsch wird häufig als Frauenthema abgetan. Viele männliche Investoren sehen in dem Thema Kinderwunsch auch keinen richtigen Markt. Der zweite Punkt ist, dass es an der Schwelle von Markteintritt zu Marktwachstum oft schwer ist, Risikokapital zu generieren. Da beißt sich die Katze in den Schwanz: Investoren wollen eine gewisse Schlagkraft am Markt sehen. Die kann man aber nur mit Investitionen erreichen. Und der dritte Punkt ist: Das Produkt ist komplex. Es steckt viel medizinisches und endokrinologisches Know-how und Technologie dahinter. Es wird nicht immer gleich verstanden. Das schreckt viele erst einmal ab. Durch unsere Partnerschaft mit Exeltis können wir allerdings zeigen, dass ein großes Unternehmen an unser Potential glaubt. Das öffnet uns wiederum Türen für Gespräche mit anderen Partnern.
Wünschen Sie sich manchmal einen weniger stressigen Job?
Auf keinen Fall. Es ist zwar nicht leicht, als Mutter von kleinen Kindern eine Führungsposition zu übernehmen, die VSM als äußerst kinderfreundliches Unternehmen bietet mir jedoch die nötige Flexibilität. Ich habe relativ kurz nach dem Einstieg bei der VSM mein zweites Kind bekommen. Meine Elternzeit hier konnte ich frei gestalten, ich war in alle Arbeitsprozesse nach wie vor involviert und konnte mich weiterhin einbringen. In meiner alten Firma galt: Entweder du machst Elternzeit und bist dann auch zu 100 Prozent raus oder du lässt es mit der Elternzeit. Ein Großkonzern eben. Keine Flexibilität. Alles ist nur schwarzweiß. Ich brauchte aber dieses Gefühl, geistig ausgelastet zu sein. Ich glaube, das wiegt viele Risiken auf. Ich finde sogar, dass sich mehr Mütter trauen sollten, auch mit sehr kleinen Kindern beruflich mehr Verantwortung zu übernehmen. Das verlangt natürlich ein Umdenken bei den Unternehmen, aber gerade das weibliche Know-how ist wichtig und es verschwindet ja nicht, etwa, weil die Frau gerade stillt.
Bettina Brammer ist Gesellschafterin und Leiterin der Marketing- und Vertriebsabteilung im Medtech-Startup VivoSensMedical. Als weibliche Führungskraft und Mutter zweier Kinder ist sie ein Role Model für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie identifiziert sich voll mit ihrem Unternehmen, weil dort nicht nur ein Produkt für Kinderwunschpatienten verkauft wird, sondern auch eine kinderfreundliche Unternehmenskultur gepflegt wird.
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