Expertenbeitrag

 Anne Schüller

Anne Schüller

Keynote-Speaker, Anne Schüller Management Consulting

Rückgewinnungsmanagement – Teil 2 Kundenverluste – so identifizieren Sie abwandernde und „schlafende“ Kunden

Autor / Redakteur: Anne Schüller / Georgina Bott

Hohe Fluktuationsraten haben einen verheerenden Einfluss auf die wirtschaftliche Stabilität eines Unternehmens. Die Richtigen, also profitable und rückholbare Kunden zu reaktivieren, ist deshalb sehr wichtig.

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Fast immer lohnt es sich, Zeit und Geld in die Kundenreaktivierung zu investieren. In vielen Punkten ist sie der Neukunden-Akquise deutlich überlegen.
Fast immer lohnt es sich, Zeit und Geld in die Kundenreaktivierung zu investieren. In vielen Punkten ist sie der Neukunden-Akquise deutlich überlegen.
(Bild: gemeinfrei / CC0 )

Im ersten Schritt gilt es, diejenigen zu identifizieren, die auf dem Sprung sind. So ist vielleicht noch was zu retten. Um verlorene Kunden zu orten, muss zunächst geklärt werden, wer ab wann als verloren gilt. Das hört sich trivial an, ist es aber nicht. Denn nicht in jeder Branche gibt es vertragliche Bindungen, die eine Kündigung verlangen. Im B2B-Bereich ist die Kundenabwanderung oft auch weniger offensichtlich.

B2B-Kunden greifen normalerweise auf mehrere Anbieter zurück und tendieren zunächst dazu, Einkaufsvolumina zu verlagern. Vor einem Komplettausstieg besteht also die Chance, sich zu verbessern und hierdurch den flüchtenden Kunden aufzuhalten, bevor es zu spät ist.

Ein Kundenverlust verläuft meist in Etappen

Grundsätzlich gibt es unter den Kunden, die gehen, leise und laute Kündiger, geräuschvolle Reklamierer und heimliche Abwanderer. Es gibt Kunden, die ihre Aktivitäten einfach auf null herunterfahren. Es gibt die, die ihre Verträge nicht verlängern. Und es gibt die vorübergehend oder dauerhaft abstinenten Kunden, die sogenannten „Schläfer“.

Doch Kunden verschwinden in den seltensten Fällen von heute auf morgen wie aus heiterem Himmel. Meist vollzieht sich die Trennung in Etappen, die Katastrophe kündigt sich an. Oft wird ein neuer Anbieter zunächst getestet, man platziert einen Kleinauftrag oder man macht einen Probekauf.

Sind die ersten Erlebnisse positiv, verdüstert sich gleichzeitig die Stimmung in Bezug auf den alten Geschäftspartner. Dies entpuppt sich meist als eine Mischung aus subjektiver Wahrnehmung und schlechtem Gewissen. Darin steckt eine Menge Neuro-Psychologie: Es muss eine vernünftig aussehende Rechtfertigung für den Seitenwechsel aufgebaut werden.

Woran man eine drohende Abwanderung erkennt

Wer abwandern will, bereitet mehr oder weniger unbewusst den zukünftigen Ex meist sanft auf das bevorstehende Ende vor. Das heißt, er macht zunächst ein paar vage Andeutungen. So wird er mit diesem und jenem unzufrieden sein und jammert öfter als üblich. Es kommt zu diffusen Klagen über das Nachlassen der Qualität oder zu unüblichen und schlecht nachvollziehbaren Mängelrügen. Aus Andeutungen wird schließlich der Wink mit dem Zaunpfahl.

Werden Sie, wenn Sie solche Signale sehen, hellwach! Vielleicht ist noch etwas zu retten. Zeigen Sie, wie wichtig Ihnen der Kunde ist. Versichern Sie ihm, dass Sie seine Klagen ernst nehmen. Kümmern Sie sich um jede Beanstandung. Forschen Sie nach den Schwachstellen im Unternehmen. Sagen Sie besondere Sorgfalt und Ihr persönliches Engagement bei der Abwicklung des nächsten Auftrags zu. Halten Sie Ihre Versprechen ein.

Erfahrene Betreuer mit Gespür für die leisen Töne können ein drohendes Abwandern erkennen, bevor es zu spät ist. Wer die Anzeichen richtig deutet, kann gefährdete Kundenbeziehungen noch rechtzeitig stabilisieren. In jedem Fall ist es hilfreich, die in der eigenen Branche üblichen Anzeichen zu sammeln und regelmäßig mit dem Kundenverhalten abzugleichen.

So analysieren Sie die Abwanderungsgefahr

Wollen Sie wissen, ob ein Kunde noch Kunde ist, helfen folgende Fragen:

  • Wann hat der Kunde das letzte Mal (wieder) gekauft?
  • Wurde die übliche Bestellfrequenz deutlich unterschritten?
  • War das Volumen der letzten Bestellungen abnehmend?
  • Ging die Zahl der Transaktionen zurück?
  • Gab es Teilkündigungen?
  • Gab es nicht realisierte angekündigte Umsätze?
  • Gab es Störungen in der Kundenbeziehung oder eine Häufung von Problemen bei der Vertragserfüllung?
  • Ging der Kunde auf Distanz? Oder war ihm plötzlich alles egal?
  • Gab es eine in Kennzahlen ermittelte abnehmende Kundenzufriedenheit?
  • Gab es verstärkte Reklamationen? In welcher Form? Wie oft?
  • Ließ die Zahlungsmoral nach?
  • Sprach der Kunde in letzter Zeit öfter über Wettbewerber? Hatte er sehr genaue Kenntnisse über deren Produkte?
  • Gab es negative Berichte in der Presse, auf die der Kunde explizit aufmerksam machte?
  • Hat er den Newsletter abbestellt und auf Nurturing-Angebote nicht mehr reagiert?

Verfeinern Sie sukzessive Ihre Beobachtungen über Transaktionsmuster und abwanderungskritische Ereignisse. Aus den unterschiedlichen Verläufen der Kundenhistorie und prototypischen Abwanderungsszenarien können Eckdaten festgelegt werden, die Hinweise darauf liefern, wann der Kunde ein Ex-Kunde ist oder droht, ein solcher zu werden.

Entwickeln Sie Prognosemodelle und ein Frühwarnsystem

Entwickeln Sie basierend auf diesen Untersuchungen ein Kennzahlensystem, erarbeiten Sie Prognosemodelle und installieren Sie ein automatisiertes Frühwarnsystem. Zur Errechnung der Abwanderungswahrscheinlichkeit werden reale Kundenverluste analysiert und Veränderungen im beruflichen oder privaten Kontext einbezogen, wie etwa:

  • Eintritt in einen neuen Lebens- oder Karriereabschnitt,
  • Veränderung der Lebensumstände (Jobwechsel, Umzug, Heirat usw.),
  • Nahender Vertragsablauf oder andere kritische Ereignisse in der Kundenbeziehung.

Aus diesem Datenmaterial wird dann ein Algorithmus gebildet. Churn-Scores können den Grad der Gefährdung anzeigen, also die Wahrscheinlichkeit, dass ein beobachteter Kunde geht. Auf der Basis von Reports und Auswertungen lassen sich dann unverzüglich die notwendigen Maßnahmen ergreifen.

Gute Kundeninformationssysteme stellen dazu einen vielseitig einsetzbaren Benachrichtigungs- und Aktionsdienst zu Verfügung. Je eher Sie agieren, desto besser sind Ihre Reaktivierungschancen. Am größten sind sie dann, wenn es gelingt, den Kunden zu erreichen, noch bevor er kündigen oder die Zusammenarbeit erheblich reduzieren will.

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestseller-Autorin und Business-Coach.
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestseller-Autorin und Business-Coach.
(Bild: Anne M. Schüller)

Über die Autorin

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. 2017 wurde sie von LinkedIn zur Top Voice gekürt. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager aus.
Hier gibt es weitere Informationen über Anne M. Schüller und das Thema Touchpoint Management.

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