OKR-Methode So werden Zielfindungs- und Planungsprozesse agil

Autor / Redakteur: Anne Schüller / Georgina Bott

Damit eine agile Zusammenarbeit funktioniert, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Herkömmliche Zielfindungsmethoden und tradierte Planungsprozesse verhindern genau das. OKR ist ein Ausweg aus diesem Dilemma.

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Mit der OKR-Methode können Planungsprozesse agiler gestaltet werden.
Mit der OKR-Methode können Planungsprozesse agiler gestaltet werden.
(Bild: gemeinfrei / Unsplash)

Klassische Zielzahlensysteme basieren auf dem Konstrukt einer Jahresplanung. Hierzu fallen große Organisationen jeden Herbst in eine Art Starre – auch Budgetierungsphase genannt. In aufwendiger Feinabstimmung, von zermürbendem Schieben und Schachern begleitet, werden unternehmensweite Zielvorgaben für das kommende Geschäftsjahr erstellt und dann auf Quartale, Monate, Bereiche, Teams und Einzelpersonen verteilt. Auf solche Ratespiele, Wetten auf die Zukunft genannt und von hehrem Wunschdenken geleitet, wird dann eine Punktlandung gefordert. Das genaue Erreichen der Vorgaben wird am Ende bonifiziert. Insgesamt ist dies ein Vorgehen, das irre viel kostet, irre viel Zeit verschlingt, Geld in falsche Kanäle lenkt, Lug und Trug unterstützt, neue Ideen unterdrückt und darüber hinaus in unvorhersehbaren Zeiten völlig unbrauchbar ist.

Denn das Tempo in der fortschreitenden Digitalökonomie ist irre hoch. Während auf klassische Weise noch geplant und das Geplante dann wie geplant umgesetzt wird, ändert sich die Welt rundherum bereits völlig. Ständige Disruptionen sind mehr und mehr Usus. Permanente Vorläufigkeit ist die neue Norm. Das Verfolgen von Planvorgaben und „Dienst nach Vorschrift“ sind das letzte, was in diesem Fall hilft.

Klassische Planungsprozesse verhindern Innovationen

Sind Ziele und Pläne rein effizienzgetrieben, von Oben verordnet und nur pro forma mit den Mitarbeitern abgestimmt, dann fehlt zudem die innere Anteilnahme, das Herzblut, der Feuereifer, die Leidenschaft für eine Sache. Im Abarbeitungsmodus wird das, was zu tun ist, „at target, on budget, in time“ erledigt, nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Wer bei Evaluierungen punktet und bonifizierte Anerkennung dafür erhält, dass er vorgezeichneten Verfahrensweisen akribisch folgt, wird sich niemals an Neues wagen. So sind Einzelziele, totale Kontrolle, ein Planungskorsett und der damit einhergehende Kennzahlenkult eine geradezu toxische Umgebung für einträgliche Innovationen.

Das ganze Drumherum eines traditionellen Budgetierungsprozesses, das in klassischen Unternehmen Monate dauert, kann in wenigen Tagen erledigt werden. Zudem kann die mit einem stark verschlankten Planungs- und Budgetierungsprozess eingehende Zeit- und Kostenersparnis dazu genutzt werden, Wert für das Unternehmen zu generieren.

OKR: in Hochgeschwindigkeitszeiten die bessere Wahl

OKR steht für Objectives und Key Results. Ursprünglich wurde diese Methode von Andy Grove, dem Mitbegründer des Halbleiterherstellers Intel, entwickelt. Bei OKR handelt es sich um keinen strengen formalen Prozess, sondern um ein Steuerungsinstrument, das sich je nach Unternehmenskontext kurzzeitig und situativ anpassen lässt.

Im Gegensatz zu den von der Wirklichkeit zunehmend schnell überrollten üblichen einjährigen Zielsetzungs- und Planungsperioden werden OKRs auf einen Nahbereich von bis zu drei Monaten festgelegt. Agil und flexibel passt man sich den jeweiligen Umständen an. So wird eine hochdynamische Vorwärtsbewegung erzeugt.

  • Die Objectives („Wo will ich hin?“) geben eine inspirierende Stoßrichtung vor. Dies ist wichtig, denn wer ankommen will, muss wissen, wohin die Reise gehen soll. Gerade selbstorganisierte Teams brauchen Orientierungspunkte, denen sie folgen.
  • Die Key Results („Was muss ich tun, um das angepeilte Ziel zu erreichen, und wie kann ich dies messen?“) sorgen für Fokus. Sie sollen die anvisierten Schlüsselresultate konkret in Zahlen fassen. Dabei sollte jedes Objective drei bis fünf messbare Ergebnisse haben, die gemeinsam im Team erarbeitet werden.

Die Ziele sind also der Traum und demnach qualitativ, die Ergebnisse sind greifbar und somit quantitativ. Der überschaubare Zeitraum macht das Ganze agil.

OKRs erzeugen Leistungswille und Selbstwirksamkeit

OKRs werden innerhalb der einzelnen Teams im Rahmen von Kurzmeetings besprochen und dann definiert. Alles bleibt in der Eigenverantwortung der Teams. Die anvisierten Ziele werden nicht von oben vorgegeben und Ergebnisse auch nicht von oben kontrolliert. OKRs sind zudem nicht gehaltsrelevant und werden nicht incentiviert.

Angesprochen wird also nicht die extrinsische, sondern die intrinsische Motivation. Mit OKRs können die Teams Bedeutsamkeit in ihre Arbeit bringen, Sinn erleben und Selbstwirksamkeit spüren. Für eigene Vorgaben legt man sich mit Freude ins Zeug. Wer hingegen für die Ego-Ziele anderer schuften soll, fühlt sich wie ein Lakai des Systems.

Ein zentrales Element: Alle OKRs und ihr Fortschritt werden bereichs- und hierarchieübergreifend im gesamten Unternehmen veröffentlicht und die regelmäßige Aktualisierung auf einem digitalen oder physischen Statusboard sichtbar gemacht. So soll unter anderem auch sichergestellt werden, dass die Ziele nicht widersprüchlich sind.

OKRs werden für das gesamte Unternehmen entwickelt

OKRs werden nicht nur für einzelne Mitarbeiter, Teams und Bereiche, sondern gemeinsam auch für die ganze Firma entwickelt. Alle Beschäftigten können dazu beitragen, zum Beispiel über folgende Frage: „Auf welche drei großen Ziele sollte sich das Unternehmen im nächsten Quartal konzentrieren?“

Aus den Antworten werden passende OKRs gebildet und priorisiert, die dann für alle gelten. Ein Gremium, das aus ausgewählten Vertretern der Mitarbeiter besteht, definiert die dazugehörigen messbaren Key Results, die herausfordernd, aber nicht unerreichbar sind. Daraus können dann OKRs für die einzelnen Teams abgeleitet werden.

Gemeinsame Workshops sorgen dafür, dass jeder die Ziele der anderen kennt und unterstützt. Wöchentlich gibt es kurze Status-Updates. Nach jedem Zyklus, also zwischen ein und drei Monaten, erfolgt ein Statusmeeting, um zunächst Erfolge und Lernfelder zu sichten und auf dieser Basis dann die folgenden OKRs zu definieren.

OKRs machen Unternehmen flexibel und zukunftsfit

Bei 70 bis 90 Prozent Zielerreichung gelten OKRs als erfüllt. Somit ist immer Luft nach oben. Dies sorgt für Ansporn zum Übererfüllen und schafft Raum für aufkommende Möglichkeiten. Am Ende der gewählten Periode beginnt der Vorgang von vorn.

Die dazugehörigen Budgets werden rollierend, also bei der jeweiligen Zielerreichung nach vorne hin freigegeben. Man bekommt nicht – einfach so – einen Batzen Geld für ein ganzes Jahr, sondern muss sich stets beweisen, um erneut Geld zu erhalten.

Die erreichten Ziele gehen nicht in die Mitarbeiterbewertung ein und sind nicht an Bonus-Malus-Systeme gekoppelt. Sie werden vielmehr als Lernerfolge gesehen. Neben einem kurzzyklischen iterativen Anpassungsvermögen an neue Gegebenheiten und einer deutlich höheren Produktivität entsteht so auch ein starkes Gemeinschaftsgefühl.

All das ist in Zukunft zunehmend wichtig. Klassische Planungsprozesse sorgen für Starre, für Egoismen, für Zielkonflikte und Abgrenzungsstrategien. OKRs hingegen erzeugen Kollaboration über alle Abteilungsgrenzen hinweg. Sie machen es möglich, sich robust und flexibel auf jede erdenkliche Zukunft einzustellen.

Das Buch zum Thema:Die Orbit-Organisation – In 9 Schritten zum Unternehmensmodell für die digitale Zukunft von Anne M. Schüller.

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