Zukunftsstudie 2021 – Teil 2 Urvertrauen in der VUCA Welt

Redakteur: Alicia Weigel

Die Monate der Pandemie waren geprägt von Unsicherheit und Disruption, aber auch von Hoffnung und Chancen. Ähnlich ergeht es auch Unternehmen. Sie benötigen Urvertrauen als kritischen Erfolgsfaktor. Warum das so ist, erläutert Tim Bruysten in seiner Artikelserie zur „Zukunftsstudie 2021“.

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Urvertrauen in der VUCA-Zeit reduziert Kompliziertheit, wie Tim Bruysten in seiner Zukunftsstudie herausfand.
Urvertrauen in der VUCA-Zeit reduziert Kompliziertheit, wie Tim Bruysten in seiner Zukunftsstudie herausfand.
(Bild: gemeinfrei / Pexels )

Wie schnell sich die Gefühlslage eines jeden Menschen ändern kann, haben wir spätestens seit den Monaten der Pandemie erfahren. Die Zeit war geprägt von Unsicherheit und Disruption. Ob die Pandemie auch Vorteile mit sich gebracht hat, hat marconomy-Experte Tim Bruysten bereits im ersten Teil der Serie “Zukunftsstudie 2021” beantwortet. Doch was benötigen Unternehmen nun genau und was hat Vertrauen damit zu tun?

Urvertrauen ist das Vertrauen in eine gemeinsam Zukunft

Es gibt Vertrauen und es gibt Urvertrauen. Vertrauen basiert auf konkreten Erfahrungen. Vertrauen in Unternehmen entsteht vor allem durch die Dokumentation dieser Erfahrungen, die Experten stellvertretend für Kunden machen. Zum Beispiel: der TÜV prüft und zertifiziert. Oder bestehende Kunden bewerten ein Produkt für potentielle Kunden. Wir bezeichnen dies als basale Vertrauensfaktoren. Sie kommen in Form von Bewertungen, Zertifikaten, Titeln, Testaten, Siegeln, und Checklisten. Aber auch Compliance-Themen, ESG (Environmental, Social, Governance) und CSR (Corporate Social Responsibility) sind hier einzuordnen. Ohne Zweifel sind dies unverzichtbare Elemente der Unternehmensführung.

Um Urvertrauen aufzubauen sind diese Themen hilfreich, aber nicht ausreichend. Urvertrauen ist das Vertrauen in eine gemeinsame Zukunft. Es entsteht intuitiv und drückt sich in einem positiven Bauchgefühl aus. Es ist das Gefühl, dass eine Geschäftsbeziehung unter einem guten Stern steht.

Urvertrauen kann entstehen, wenn:

1. Wir wissen, wen wir vor uns haben

Wissen Sie selbst, wofür Ihr Unternehmen wirklich steht? Können Sie dies in einfache, verständlich und dauerhaft belastbare Worte fassen? Worte, die kein Kompromiss sind, sondern breite Zustimmung finden? Wenn Sie dies nicht können, wie soll es dann ein Geschäftspartner, Kunde oder Mitarbeiter?

Dies richtet sich erstmal nach Innen: Was müssen wir tun, damit man unserem Unternehmen vertrauen kann? Wie bringen wir dies zum Ausdruck? Und passt dieses zu dem Added Value, den wir unseren Kunden bringen?

2. Die Umgebung unserer Geschäftsbeziehung klar ist

Welche äußeren Faktoren erfordern unsere Aufmerksamkeit? Wird unsere Geschäftsbeziehung von außen angegriffen? Welche Auflagen, Restriktionen und Vorschriften könnten uns behindern? Wie wird unsere Kooperation von außen gesehen? Im B2C kann dies bedeuten: Finden meine Freunde es cool, wenn ich diese Turnschuhe trage? Im B2B: Was sagen eigentlich die Kollegen dazu, wenn ich diesen Vertrag abschließe?

Dies können wir aktiv verbessern, wenn wir Punkt 1 wirklich gut gelöst haben und auf dieser Basis Produkte, Services, Kommunikation, Marketing und Vertrieb gestalten.

3. Wenn die Welt unsere Geschäftsbeziehung grundsätzlich unterstützt

Gibt es einen Markt, in dem wir eine gesunde Geschäftsbeziehung entwickeln können? Wie sehen die nicht beeinflussbaren Umweltbedingungen aus? Gibt es zum Beispiel genügend Rohstoffe? Entwickelt ein Wettbewerber eine für unseren Markt disruptive Technologie?

Dies umfasst alle Themen, die wir nicht beeinflussen können, die dennoch Auswirkungen auf unsere Geschäftsbeziehung haben. Hier geht es darum, feine Sensoren zu haben, ein Frühwarnsystem für Herausforderungen um rechtzeitig nach Alternativen suchen zu können.

Ist Urvertrauen wertschöpfend?

Wenn Urvertrauen verletzt ist, so helfen auch die besten Vertrauensfaktoren nicht mehr eine Beziehung zu stabilisieren. Ist es jedoch stark, sind alle Stakeholder bereit auch schwierige Zeiten gemeinsam gut durchzustehen. Insofern ist es sehr wohl wertschöpfend.

Urvertrauen sorgt dafür:

  • dass Kunden einem Prozess im Flow folgen.
  • dass Sie deutlich weniger argumentieren müssen.
  • dass neben dem Preis weitere Faktoren bedeutsam werden.
  • dass es viel weniger Abbrüche im Sales Funnel gibt.
  • dass der CLV (Customer Lifetime Value) deutlich steigt.
  • dass Geschäftsbeziehungen in B2B und B2C loyaler und stärker werden.

Dennoch, die Frage ob mögliche wertschöpfende Effekte aus vertrauensbildenden Maßnahmen berücksichtigt werden, verneinen 68,3 % der Teilnehmer unserer Zukunftsstudie.

Darin liegt ein großes Potential, um die sogenannten harten und weichen Business-Faktoren in Einklang zu bringen und ein Unternehmen nachhaltig und deutlich erfolgreicher zu machen.

Angst vor der Zukunft

Wenn Urvertrauen fehlt, fehlt vor allem das Vertrauen in eine gemeinsame Zukunft. Mangelndes Urvertrauen ist ein schlechtes Bauchgefühl. Eine oft unbewusste Haltung die zu einem nagenden Zweifel werden kann.

Wenn Urvertrauen fehlt, haben wir

  • einen (bewussten oder auch unbewussten) Zweifel, ob eine Geschäftsbeziehung langfristig wirklich sinnvoll ist.
  • Angst vor Feedback und Kritik.
  • Angst vor Veränderung, Change und Transformation.
  • Angst davor, mit einem Partner, Kunden, Dienstleister oder mit einem Team Bindungen oder Beziehungen aufzubauen.

Die Folgen sind anstrengend und bringen hohe Opportunitätskosten mit sich. Überall im Unternehmen und in den Kunden- und Partner-Beziehungen wird man stärker im Preiskampf stehen, vielmehr argumentieren und beständig motivieren müssen.

Die Vertrauensdimensionen

Urvertrauen entsteht, wenn wir uns orientieren können und ein klares Bild von unserem Gegenüber haben. Wenn unser Gegenüber, unser Vertragspartner, in seinen Vertrauensdimensionen konsistent ist.

Vertrauensdimensionen in Geschäftsprozessen sind zum Beispiel:

  • Der Grund, aus dem ein Unternehmen existiert
  • Die Strategie, mit der es seine Ziele verfolgt
  • Unsere Experience Journey – Was wir erleben und wahrnehmen
  • Der Impakt, den ein Unternehmen mit seinen Produkten und Dienstleistungen in unserem Leben hat
  • Basale Vertrauensfaktoren wie Siegel, Prozesse, Zertifikate usw.

Passen das Erscheinungsbild des Unternehmens, seine Ziele, die Art und Weise, wie es seine Ziele verfolgt, sein “Purpose” wirklich und glaubwürdig zusammen? Urvertrauen entsteht nicht, wenn sich ein Unternehmen einen noch so gut durchdachten, wohlklingenden Purpose oder Claim gibt. Urvertrauen entsteht, wenn diese Elemente der unternehmerischen Identität zum einen intuitiv schlüssig wirken, aufeinander abgestimmt sind. Zum anderen müssen diese Elemente durch die Geschichte des Unternehmens bestätigt und in aktuellen Interaktionen mit dem Unternehmen wirklich spürbar sein. Vereinfacht gesprochen: Das Warum, Wie und Wozu des Unternehmens müssen zueinander passen und spürbar, sichtbar und erlebbar sein.

Leitfragen dazu sind:

  • Ist das Warum, Wie und Wozu in der Customer Journey an jedem Kontaktpunkt für Kunden sichtbar und verständlich?
  • Entsprechen gewählte Sprache, Farbpsychologie, Dramaturgie, Bildwelten usw. der Bedeutung von diesem Warum, Wie und Wozu? An jedem Kontaktpunkt? Intern wie auch extern?
  • Und, besonders wichtig, handelt es sich um das wirkliche Warum, Wie und Wozu des Unternehmens, oder um eine gewünschte Version davon?

Klingt anstrengend? Ist es nicht! Anstrengend ist, wenn diese Dinge nicht aufeinander abgestimmt sind. Dann steht der Preiskampf im Vordergrund und das Unternehmen muss mit viel Kraft geführt werden.

Die VUCA Welt

VUCA steht für Volatility, Uncertainty, Complexity and Ambiguity. Auf deutsch, eine Welt die von Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit bestimmt ist. Genau dies kommt in den nächsten Jahren in der Form zahlreicher Veränderungen auf uns zu: Der Klimawandel wird deutlich spürbarer werden und die regulatorischen Folgen beständig zunehmen. Die unterschiedliche Geschwindigkeit der Adaption von Technologien in unterschiedlichen Weltregionen wird sehr teuer werden. Die langfristigen Folgen der Pandemie werden uns vor große Herausforderungen stellen. Themen wie das Lieferkettengesetz, Diversität, hybrides Arbeiten und viele mehr stehen ins Haus. Um nur ein paar Themen zu nennen. VUCA, wie im Lehrbuch.

Und in dieser Zeit empfehlen wir nun, über “softe Themen” wie Urvertrauen nachzudenken? Ja, genau in dieser Zeit. Urvertrauen reduziert Kompliziertheit. Indem wir unsere Unternehmen auf eine Weise aufbauen, dass wir wirklich glaubwürdig werden, machen wir unseren Partnern ein Angebot uns zu vertrauen. Gemeinsam mit uns in diese unsichere Zukunft gehen zu wollen. Gar kein softes Thema.

Handlungsempfehlungen

Fünf Empfehlungen mit dem Ziel, für ein Unternehmen ein höheres Vertrauenspotential zu entwickeln.

  • Die wertschöpfenden Wirkungen vertrauensbildender Maßnahmen identifizieren und aktivieren.
  • Vertrauensbildende Maßnahmen als Unternehmens-KPIs über alle Stakeholder hinweg definieren und regelmäßig messen.
  • Customer- und Employee Journey systematisch nach Misstrauensfaktoren untersuchen, diese abstellen und vertrauensbildende Maßnahmen implementieren
  • Nutzen Sie die basalen Vertrauensfaktoren und bringen diese mit den Urvertrauensfaktoren in Einklang. Durch alle Vertrauensdimensionen hindurch.
  • Wenn diese Maßnahme nachhaltig vertrauensfördernd sein sollen, finden Sie Ihren ureigenen Weg diese umzusetzen.

Der heiße Brei

Eine wesentliche Komponente zum Aufbau von Urvertrauen ist das Wissen, wofür ein Unternehmen wirklich steht. Jedes Unternehmen hat einen solchen klaren Kern. Bei vielen Unternehmen ist dieser Kern wie ein heißer Brei, um den alle herumreden. Doch in den meisten Fällen kann keiner, weder der CEO, noch der alte Hase aus der Marketing-Abteilung, noch sonst irgendwer, diesen heißen Brei wirklich benennen und auf den Punkt bringen.

Um diesen heißen Brei wird es in Teil 3 dieser Reihe gehen. Ihn zu enthüllen ist eines der Geheimnisse in einer VUCA Welt sich nicht sich selbst zu verlieren und ein vertrauenswürdiger Ansprechpartner für Mitarbeiter, Partner und Kunden zu bleiben.

Informationen zur Studie

Die Zukunftsstudie 2021 wurde durchgeführt mit Prof. Tim Bruysten, geschäftsführender Gesellschafter der richtwert GmbH, Patrick Mathieu, Unternehmensberater und Forscher aus Paris und Markus Mayr, PR-Experte aus Hamburg. Im Beirat der Studie sitzen Gerd Bovensiepen, Aufsichtsrat bei PwC Deutschland und Dominique Bourqui, Chief Academic Officer der Business School von Lausanne, erfolgreiche Mehrfachgründerin und TV-Produzentin

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