Interview zum Einsatz von guten Inhalten in der Marketingstrategie Was um Himmels Willen ist eigentlich Content Marketing?

Autor / Redakteur: Heiko Burrack / Natalie Wander |

Content Marketing ist das nächste große Ding?! Aber was versteht man genau darunter und wodurch unterscheidet sich Content Marketing von anderen Instrumenten wie der Öffentlichkeitsarbeit. Diese Fragen beantwortet uns Sebastian Callies, der Geschäftsführer der Agentur Callies & Schewe Kommunikation in Mannheim.

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Im Interview erklärt Sebastian Callies, warum gute Inhalte im Marketing gefragt sind.
Im Interview erklärt Sebastian Callies, warum gute Inhalte im Marketing gefragt sind.
(Bildquelle: Callies & Schewe Kommunikation)

Was ist Content Marketing eigentlich?

Content Marketing ist das Mashup aus klassischer Werbung, Journalismus und PR. Es ist nichts fundamental Neues. Aus der Werbung stammen der absatzorientierte Ansatz und viele Instrumente aus dem Journalismus wie beispielsweise die redaktionelle Kompetenz. Das dialogorientierte Vorgehen kennen wir aus der PR.

Warum wird Content Marketing derzeit so stark gehypt?

Dafür gibt es drei Gründe. Erstens: Das Internet ist ein Unsicherheitsverstärker, Menschen suchen mehr denn je nach Orientierung. Unternehmen haben festgestellt, dass sie mit relevanten, zielgruppengerecht und unterhaltsam aufbereiteten Inhalten punkten können.

Zweitens: Die klassischen Medien gleichen bis auf wenige rühmliche Ausnahmen nur noch Zombies. Immer weniger und schlechter bezahltes Personal bereitet kaum recherchierte Inhalte auf, Anzeigen und redaktionelle Beiträge werden zunehmend gekoppelt. Der informierte Leser und Zuschauer merkt das und will dafür kaum noch zahlen. Stattdessen bevorzugt er kostenlose Informationsangebote aus dem Web. Drittens: Unternehmen steht heute technisch das gesamte Arsenal eines integrierten Medienhauses zur Verfügung – zu einem Bruchteil früherer Kosten. Sie können Inhalte jeder Art produzieren und potenziell ein großes Publikum erreichen. In Wort, Bild und Ton. Leider sind die meisten hier noch in der Experimentierphase.

Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es noch immer viele Printtitel. Hier von einem Zombieland zu sprechen, ist ein harter Vorwurf. Warum soll ich kostenlosen Inhalten mehr vertrauen? Was nichts kostet, ist oft nichts wert.

Exakt das ist das Problem der großen Verlage. Ihre kostenlosen Inhalte werden am meisten genutzt und haben das Geschäftsmodell untergraben. Die Verlage klatschen auf ihre werbefinanzierten Webseiten im Minutentakt immer zugespitztere Meldungen. Es geht um Aufmerksamkeit, um Klicks, denn die bringen die Kohle. Autoren sind meist freie Mitarbeiter, Geld für Recherche ist nicht da. Entsprechend kurz ist die Halbwertszeit, die Glaubwürdigkeit nimmt ab. Dafür wollen verständlicherweise immer weniger zahlen, und darunter leidet auch der Ruf des Printprodukts – ein Teufelskreis. Die großen Printmarken haben in den letzten fünf Jahren zum Teil ein Viertel ihrer verkauften Auflage verloren. McKinsey beziffert die Einnahmelücke bis 2015 mit 200 bis 400 Millionen Euro. Das ist kein Unkenruf, das ist ein Existenzkampf!

Verlage haben sicherlich in letzten Jahren viele Fehler begangen, was ihre digitale Strategie angeht; an dieser Stelle sind wir einer Meinung. Welche Möglichkeiten haben werbetreibende Unternehmen?

Unternehmen können in die Aufbereitung und Qualität ihrer Inhalte investieren. Sie sind nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen und stehen bei ihren Zielgruppen für inhaltliche Kompetenz auf bestimmten Themengebieten. Nutzer sind dankbar, wenn sie verlässliche Informationen bekommen von einer Marke, der sie vertrauen. Und sie können natürlich einordnen, dass dahinter gewisse Unternehmensinteressen stehen – die Interessenlage der klassischen Medien ist dagegen nebulös. Unternehmen erkennen das. Sie stecken daher mehr Budget in „Owned“ und weniger in „Paid Media“. Journalisten kann man da nur zurufen: Wenn Ihr in zehn Jahren noch einen Job haben wollt, wechselt die Seiten!

Immer häufiger wird von „Owned“, „Paid“ und „Earned Media“ gesprochen, Sie haben das eben auch erwähnt. Was soll das heißen?

„Owned Media“ fasst alle Medien zusammen, die Unternehmen selbst gehören – wie Webseiten, Blogs, Magazine, Apps oder die Facebook-Seite. „Paid Media“ ist die bezahlte Werbefläche: Anzeigen, TV-Spots, Suchmaschinenmarketing, Banner und so weiter. „Earned Media“ ist das Ergebnis von beidem und bezeichnet die Konversation über eine Kampagne, ein Unternehmen oder seine Produkte in sozialen Netzwerken und klassischen Medien. „Earned Media“ hat die stärkste Zugkraft und kann durch virale Effekte eine enorme Reichweite erzielen. Dafür braucht es Geschichten, die eine Anschlusskommunikation erzeugen. Anzeigen sind vor allem dazu da, die eigenen Inhalte in der Anfangsphase zu pushen. Eine Content-Marketing-Strategie verbindet daher „Owned“ und „Paid Media“ im passenden Verhältnis.

Wenn Content Marketing nichts wirklich Neues ist, warum wird es dann genau so dargestellt?

Von wem? Natürlich verändern sich die Spielregeln, wenn ich eigenständig Millionen Menschen meiner Zielgruppe erreichen kann, ohne zwingend den Umweg über Werbeplätze oder PR-Penetrationen gehen zu müssen. Aber die Werkzeuge und das Handwerk sind vorhanden. Wir müssen all diese Elemente nur besser kombinieren und in eine Medienarchitektur einbinden, die journalistischen Prinzipien und dem gesunden Menschenverstand folgt. Damit beispielsweise YouTube- oder Facebook-Auftritte von Unternehmen nicht für sich allein stehen und peinlich sind, sondern Image und Vertrieb nach vorne bringen.

Gibt es neben dem Wunsch, sich agenturseitig entsprechend zu positionieren, zudem noch inhaltliche Gründe für den Begriff?

Aus meiner Sicht umfasst der Begriff auf Unternehmensseite einen besser abgestimmten Einsatz von Webseiten, Newslettern, Kundenmagazinen, Videos oder Apps auf Basis einer redaktionellen Strategie und Arbeitsstruktur. Wir als Agentur beschreiben damit unser Leistungs- und Beratungsangebot. Natürlich ist das eine Positionierung. Für eine Publishing-Strategie und deren Umsetzung in Themen und Geschichten auf mehreren Kanälen braucht es redaktionelle und digitale Kompetenz. Klassischen Werbeagenturen fehlt vor allem ersteres.

Was Sie eben beschrieben haben, ist ja eigentlich eine PR-Strategie. Unabhängig davon, dass diese natürlich vorhanden sein muss, was sind denn noch weitere Stolpersteine, durch die Content Marketing unmöglich wird. Ich denke dabei vor allem an fehlende Inhalte. So haben viele Unternehmen und Agenturen große Schwierigkeiten, wirkliche Geschichten zu erzählen. Die Branche wird eben bestimmt durch „News“.

Welche Branche meinen Sie? Klar, für die klassischen Medien sind News der Treibstoff. Aber Neuigkeiten veralten. Relevanter Content hat nicht zwingend einen Neuigkeits-, sondern einen Informations- und Nutzwert. Es geht um Wissen, Orientierung und Unterhaltung für die Zielgruppe. Die Inhalte sind da! Unternehmen sind voller Experten und Know-how zu Spezialthemen, zu denen nur wenige auf diesem Niveau etwas sagen können. Um diese Inhalte zu finden, sollte man sich folgende Fragen in dieser Reihenfolge stellen: Welche Themen sind für unsere Zielgruppe derzeit interessant? Wie können wir diese Themen mit unserem Angebot und mit unseren Botschaften verknüpfen? Wer im Unternehmen oder welche unserer Agenturen kann diese Themen dauerhaft redaktionell begleiten, entwickeln und moderieren? Dann entscheiden wir, wo und in welchem Tonfall wir dazu Geschichten erzählen, die Menschen hören wollen, weil sie spannend, lustig, interessant oder traurig sind. Die sie gerne weitererzählen, weil sie damit in ihrem Umfeld soziale Anerkennung bekommen. Und für die sie uns im Idealfall mit ihren Kontaktdaten bezahlen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Über den Autor:

Heiko Burrack (Diplom-Kaufmann) ist Gründer von Burrack NB-Advice und berät Agenturen und Unternehmen, die ihre Kernleistung im Marketingbereich haben, bei der strategischen und operativen Neukundengewinnung. Er ist außerdem als Referent, Trainer und Coach tätig.

Zuletzt hat er das Buch „Die Werbepropheten und ihre dröhnenden Lautsprecher“ veröffentlicht.

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