MarTech Wie das Marketing die Kontrolle über das Web-Tracking zurückgewinnt
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Viele Marketer verlassen sich immer noch auf die „kostenlosen“ Webanalyse-Lösungen der Big-Tech-Unternehmen. Ihr Versprechen: benutzerfreundliche und sofort einsatzbereite Suiten, die Unternehmen überdies ein 360-Grad-Marketing ermöglichen. In Wirklichkeit bringt der Einsatz dieser Lösungen allerdings auch Nachteile mit sich.

Die jüngste EU-Rechtsprechung erwirkte regulatorische Änderungen, die sich auf das Online Marketing auswirken. Experten verweisen in diesem Zusammenhang unter anderem auf das Schrems-II-Urteil. Die Entscheidung erklärt einen Beschluss der Europäischen Kommission für ungültig, der ursprünglich die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA auf Grundlage des EU-US Privacy Shield legitimierte.
Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes
Insbesondere für jene Unternehmen, die sich auf EU-Territorium befinden und Daten von europäischen Verbrauchern erheben, gehen aus diesem rechtlich restriktiven Rahmen konkrete Datenschutzanforderungen hervor, die es nun zu erfüllen gilt. Aus diesem Grund sollten auch Marketingstrategien immer auf der Einhaltung von Datenschutzbestimmungen aufbauen.
Populäre US-Dienste wie Google Analytics 4 (GA4) verstoßen allerdings aus fünf Gründen immer noch gegen diese Datenschutzbestimmungen:
- 1. Konträre Auffassung von Data Ownership : Lösungen wie GA4 transferieren nach wie vor Daten in die USA, um sie dort zu speichern. Und sie erfordern keine ausdrückliche Zustimmung zur Erhebung dieser Daten. Die DSGVO untersagt jedoch die Übertragung von Daten in „unsichere Drittstaaten“ wie die USA – erst recht, wenn keine Zustimmung vorliegt. Damit regelt die EU-Rechtsprechung die Frage der Data Ownership implizit neu. Sie liegt eindeutig bei den Usern. Stimmen die einer Datenübertragung nicht zu, ist die Datenweitergabe nicht möglich. Wie Google dagegen in der Praxis mit Daten umgeht, lässt auf eine konträre Haltung hindeuten.
- 2. Intransparente Datenverarbeitung: Dienste wie Google bleiben ihren Nutzern auch in Zukunft die Antwort schuldig, wo genau sie erhobene Daten abspeichern, verarbeiten, integrieren und nutzbar machen. Unternehmensspezifische Richtlinien wie im Falle von Google besagen zwar, dass Daten zu nächstgelegenen Servern transferiert werden. Die können sich aber auch in den USA befinden. Aus diesem Grund bieten sie keinerlei Datenschutz im Sinne der DSGVO.
- 3. Erhobene Daten sind unvollständig: Web-Tracking-Lösungen wie GA4 stellen Ihren Kunden unvollständige Datensätze zur Verfügung. Um diese Datensätze zu vervollständigen, greifen die Systeme auf Machine-Learning-Modelle und künstliche Intelligenz zurück, mit denen sie Lücken füllen und Daten anreichern. Das kann die Aussagekraft der Ergebnisse bzw. der gewonnenen Insights beeinträchtigen.
- 4. Versteckte Kosten in den sogenannten Free-Tools: Tools wie GA4 geben zwar vor, kostenlos zur Verfügung zu stehen, in Wirklichkeit unterliegt der Service allerdings bestimmten Limits. Überschreitet eine bestimmte Property die maximal zulässige Anzahl an Daten-Abfragen, verweigert sie danach jede weitere Anfrage und quittiert dies mit einer Fehlermeldung. Diese Fehlermeldungen lassen sich zum Teil zwar umgehen. Zum Beispiel mit einem Upgrade auf GA4 Premium, das Nutzer rund 15.000 US-Dollar kostet oder indem Unternehmen sich teures Data-Know-how einkaufen, das sie bei der Entwicklung eines Workarounds unterstützt.
- 5. Eingeschränktes Reporting: Einige standardmäßige KPIs, die User aus Universal Analytics (UA) kennen, sind in GA4 nicht verfügbar. Insbesondere für Umsteiger von UA auf GA4 schließt das die Verknüpfung wertvoller historischer UA-Daten mit neu gewonnenen GA4-Daten kategorisch aus. Mit anderen Worten: Diese Daten gehen verloren. Und: GA4 bietet seinen Usern lediglich drei Berichtsvorlagen. Zum Vergleich: UA enthielt derer 30. Damit gewährt GA4 nur ein sehr begrenztes Maß an Insights. Spezifische Berichte müssen die User selbst erstellen.
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Die Zukunft der Web-Analytik
5 Gründe, warum Unternehmen nach Analytics-Alternativen suchen sollten
Eine legitime Datenerfassung aufbauen
Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich für Unternehmen eine alternative Strategie. Sie baut auf einem agnostischen Ansatz auf, bei dem das Eigentum der Daten auf den User zurückgeht. Das heißt: Alleine er entscheidet per Zustimmung, was mit seinen Daten geschieht. Auf diese Weise erlangen auch Unternehmen die volle Kontrolle über erhobene Daten zurück, sofern sie dabei auf DSGVO-konforme Lösungen zurückgreifen. Das würde sie von Big-Tech unabhängig machen. Entscheidender Vorteil: Der Techstack ließe sich aus Systemen aufbauen, die mit verlässlichen Daten arbeiten. Wie aber sieht die legitime Datenerfassung aus?
Dabei sollten Unternehmen auf diese fünf Aspekte achten:
Standort-Frage
Wo findet das Speichern von Daten, wo die Verarbeitung von Daten statt? Jede Art Datenhandling sollte auf Servern innerhalb des EU-Territoriums stattfinden. Dadurch eliminieren Website-Betreiber gesetzliche Datenschutz- und Compliance-Konflikte und sichern eine transparente und nachhaltige Datenerhebung, die auf legitimen Beinen steht.
Web-Tracking am besten auf eigenem Server
Die sicherste Variante: Eine Web-Tracking-Lösung, die sich physisch auf einem eigenen Server oder in der eigenen Cloud befindet. Dadurch sind Unternehmen Herr über die von ihnen selbst erhobenen Daten. Dabei handelt es sich um wertvolle First-Party-Daten, aus denen selbst in anonymisierter Form aussagekräftige Informationen zum Userverhalten gewonnen werden können. So lassen sich anonyme Website-Besucher über die Verfolgung ihrer Klick-Logik immer noch präzise identifizieren. Entscheidend aber ist: Diese Art der Datenerhebung findet im Einklang mit der DSGVO statt. Sie basiert auf der ausdrücklichen Zustimmung des Users. Er kann diese Erlaubnis zu jedem beliebigen Zeitpunkt widerrufen und die Löschung seiner Daten fordern.
DSGVO-konforme Datenerhebung
Nach Alternativlösungen zu suchen, ist angesichts des bevorstehenden Endes von UA das Gebot der Stunde. Durch eine Lösung im Einklang mit der DSGVO erlangen Unternehmen die volle Kontrolle über ihren Marketing Technologie Stack zurück. Sie sollte vor allem auch das Einholen eines expliziten Consents, sofern nicht anonymisierte Daten erhoben werden, enthalten.
Diesbezüglich bietet die DSGVO eine Reihe von Vorgaben. Danach sollte die Consent-Abfrage:
- leicht verständlich und spezifisch sein,
- konkret erläutern, welche Daten gesammelt, warum ausgerechnet diese Daten erhoben und wie lange und wo Daten aufbewahrt werden,
- den Namen der datenerhebenden Organisation enthalten sowie den Datenschutzbeauftragten nennen,
- User daran erinnern, dass der Consent jederzeit zurückgezogen werden kann und
- keine vorangekreuzten Kästchen, Opt-out-Boxen oder Standardeinstellungen enthalten. Sie stellen keine gültige Einwilligungsanfrage dar.
Anonymes Tracking
Im Falle niedriger Consent-Raten ist es dennoch möglich, anonymisierte Daten mit aussagekräftigen Informationen zum Nutzerverhalten zu sammeln. Alternativlösungen erfassen aggregierte, aber eben nicht personenbezogene Informationen über die Nutzer. Auch wenn diese Daten keine allzu detaillierten Informationen enthalten, wie jene, die mit Zustimmung gesammelt werden: Trotzdem handelt es sich um tatsächlich gesammelte Daten. Sie zeichnen sich durch eine qualitativ weitaus höhere Aussagekraft aus als künstlich generierte Daten, die etwa Google mittels Machine Learning bereitstellt.
Ethische Gründe
User schreiben dem Datenschutz eine immer größer werdende Relevanz zu. Diese Überlegung beeinflusst immer mehr Kaufentscheidungen. Unternehmen sollten dieses Signal der Kundenfreundlichkeit nicht vernachlässigen. Eine datenschutzkonforme Analytik demonstriert, dass Unternehmen die Bedürfnisse der Zielgruppe respektieren.
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Fazit
Die als „Free-Versionen“ deklarierten Analytics-Lösungen verbergen oftmals versteckte Kosten, die über rein monetäre Kategorien hinausgehen. Sie müssen sich vielmehr an den gesetzlichen Anforderungen hierzulande messen, die sie nicht immer zweifelsfrei erfüllen. Im Gegensatz dazu existieren Web-Analytics-Lösungen, die jenseits von Google, Microsoft, Adobe und anderen DSGVO- und Compliance-konforme Features enthalten. Sie zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie sich lokal installieren lassen, über die Hoheit der erhobenen Daten verfügen und über ein detailliertes Consent Management und eine leistungsfähige, aussagekräftige und vor allem reibungslose Reporting-Funktion verfügen. Unter den gegenwärtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen scheint diesen Lösungen die Zukunft zu gehören.
*Magdalena Pawlitko ist Head of Global Sales bei Piwik PRO.
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