Experteninterview „Digitale Transformation“ Wie thyssenkrupp Schulte Marketing und Sales nachhaltig transformiert

Das Gespräch führte Alicia Weigel Lesedauer: 6 min |

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Digitale Transformation – das ist wohl das Schlagwort schlechtin des 21. Jahrhunderts. Auch Marketing und Sales müssen sich dieser Aufgabe stellen. Im Gespräch hat uns Dr. Adrian Seeger, CSO bei thyssenkrupp Schulte GmbH, verraten, auf was es dabei ankommt.

Eine digitale Transformation ist auch im Marketing und Sales wichtig. Warum hat uns Dr. Adrian Seeger im Gespräch verraten.
Eine digitale Transformation ist auch im Marketing und Sales wichtig. Warum hat uns Dr. Adrian Seeger im Gespräch verraten.
(Bild: frei lizenziert / Unsplash)

Als Geschäftsführer bei thyssenkrupp Schulte GmbH für das Ressort Vertrieb weiß Dr. Adrian Seeger, auf was es in der digitalen Transformation von Marketing und Vertrieb ankommt. Seit über 127 Jahren ist das Unternehmen nun am Markt und ist damit zu einer (Groß-)Handelsikone im Werkstoffhandel aufgestiegen. Diese Historie und die Position als Marktführer seien Herausforderung und Verantwortung zugleich, gegenüber den Kunden, den Lieferanten und den Mitarbeitern, wie Seeger uns verraten hat. Im Gespräch hat er uns weitere Details zur digitalen Transformation bei thyssenkrupp Schulte genannt.

marconomy: Schauen wir uns den Status Quo im Bereich Prozesse doch mal an: Was wird im Marketing und Sales aktuell schon alles digital abgebildet?

Dr. Adrian Seeger: Viel – sehr viel! Neben der Operationalisierung der Sales-Kanäle für die verschiedenen Kundensegmente arbeiten wir intensiv an Maßnahmen, um auch unsere digitale Awareness zu verbessern. Beispielsweise sind wir Anfang des Jahres mit unserer neuen Wissensplattform „Das bewegt“ live gegangen – ein Infoportal für unsere Kunden und alle Interessenten, die sich rund um Werkstoffe, Ausbildung, Logistik oder auch Digitalisierung in unserer Branche und im Großhandel interessieren. Wir glauben weiterhin daran, dass Content nachhaltig wirkt. Aktuell arbeiten wir an der Idee der digitalen Kundenmesse und an Möglichkeiten unsere digitalen Maßnahmen mit Nachhaltigkeit zu verbinden – hier helfen uns unsere Kolleginnen und Kollegen sehr, die just in einer internen Nachhaltigkeitsinitiative knapp 100 weitere Ideen generiert haben, um diese Verbindung noch stärker aufzuladen.

Wieso hängt vor allem der deutsche Markt im Bereich der Digitalisierung (auch von Sales und Marketing) Ihrer Meinung nach hinterher?

Seeger: Die Digitalisierung hat erst vor etwa 15 Jahren anwendbare Strukturen und Prozesse hervorgebracht, die mit Blick auf die gesamte Auftragsbearbeitung Effekte für Unternehmen erzeugen können. Insbesondere in traditionellen Unternehmensstrukturen kamen diese Chancen nur sehr langsam und zeitverzögert an, da es eben nicht reicht nur Software zu beschaffen und diese dann durch die IT betreuen zu lassen. Die Erkenntnis, dass mit der digitalen Transformation grundlegende strukturelle Veränderungen erfolgen müssen, die auch andere Mitarbeiterkompetenzen erfordert ist viel zu langsam akzeptiert und realisiert worden.

Ein wichtiger „Verhinderer“ dieser notwendigen Veränderung war der wirtschaftliche Erfolg der Jahre vor dem ersten Lockdown: Warum ein System verändern, wenn es doch läuft? Ein weiterer wesentlicher Grund lag auch in der fehlenden Affinität des Managements für digitale Themen, ein Grund, der auch mit den Altersstrukturen in Verbindung steht.

Warum glauben Sie persönlich, dass in der digitalen Transformation von Marketing und Sales die Zukunft liegt? Welche Vorteile ergeben sich dadurch?

Seeger: Eins hat sich in den letzten Jahren stark verändert: Früher suchte sich der Kunde seinen Lieferanten, der ihn dann für eine Warengruppe zuverlässig und ganzheitlich belieferte. Heute ist der Kunde autonom und kauft ein Produkt oder eine Leistung, wann und wo er will. Denn er kennt den Markt, Preise, Verfügbarkeiten und Risiken. Durch diese Veränderung im Kundenverhalten werden heute andere Fähigkeiten erforderlich – weg von der Produktorientierung hin zur Kunden- und Marktzentrierung. Digitale Verbindungen zum Kunden anzubieten ist dabei eine wesentliche Voraussetzung, um auch nachhaltig erfolgreich zu sein. Kunden dort abzuholen, wo Sie sich informieren eine notwendige Bedingung.

Sozialen Netzwerken kommt dabei eine neue Rolle zu – was früher das Cold Calling war, ist heute die In-Mail. Wer sich in diesem sich schnell wandelnden Markt nicht schnell entwickelt, der wird später keine Rolle mehr spielen können. Die demografischen Veränderungen – in etwa sieben bis acht Jahren ist die Boomer-Generation nicht mehr da, in etwa 12-15 Jahren sind in Deutschland etwa sechs bis sieben Millionen weniger Arbeitskräfte vorhanden – zeigen auf, welche strategischen Chancen die digitale Transformation bietet.

Welche Rolle nehmen Sie als CSO bei diesem Prozess ein?

Seeger: Die digitale Transformation hat viele Aspekte, die ein Unternehmen umsetzen muss, um nachhaltig erfolgreich zu sein:

  • 1. Es bedarf einer klaren Strategie für die digitale Transformation. Diese orientiert sich nicht an Softwarelösungen, sondern an der Customer Journey. Der Strategie folgt ein präziser Plan, der die Umsetzung klar definiert.
  • 2. Es bedarf dezidierter Personen, die die digitale Transformation lenken. Dies kann nicht nebenbei passieren, sondern erfordert zum Teil neue Kompetenzen und den Mut sich auf neue Aufgaben einzulassen.
  • 3. Es bedarf einer Veränderung im Mindset auf allen Ebenen. Hier ist neben viel Erklärung und Gesprächen eine klare Kommunikation erforderlich, so dass alle Mitarbeitenden erreicht werden. Ein „weiter so“ wird es nicht mehr geben und ein bisschen Veränderung auch nicht – die Digitalisierung wird auch nicht mehr weggehen, sondern unser Leben zukünftig noch stärker bestimmen.

Meine Aufgabe als CSO ist es diesen Prozess zu lenken, mit den Kollegen und Kolleginnen zu designen, Mitarbeitenden Ängste zu nehmen, darauf zu achten, dass wir den Plan einhalten. Insgesamt eine echt spannende Aufgabe!

Dr. Adrian Seeger ist seit April 2021 Mitglied der Geschäftsführung der thyssenkrupp Schulte GmbH und verantwortet als Chief Sales Officer (CSO) das Ressort Vertrieb. Er besitzt über 20 Jahre Erfahrung in führenden Management-Positionen in der Industrie und im Großhandel.
Dr. Adrian Seeger ist seit April 2021 Mitglied der Geschäftsführung der thyssenkrupp Schulte GmbH und verantwortet als Chief Sales Officer (CSO) das Ressort Vertrieb. Er besitzt über 20 Jahre Erfahrung in führenden Management-Positionen in der Industrie und im Großhandel.
(Bild: Dr. Adrian Seeger)

Warum setzen Sie sich als CSO so besonders dafür ein, dass die Bereiche Sales und Marketing (und hier vor allem die Prozesse) digitalisiert werden?

Seeger: Die Kundenwelt ändert sich rasant: Man denke an den Eintritt von Amazon in den Buchhandel und schaue sich heute die Branche einmal an – wenige haben die Transformation aktiv in Angriff genommen, viele mussten sich leider verabschieden.

Diese Entwicklung wird in jeder Branche – mit unterschiedlichen Intensitäten und Ausmaßen – ankommen. In diesem Umfeld muss man gut vorbereitet sein, damit man die Stärken des Unternehmens auch in der digitalen Welt ausspielen kann – da Zeit hierbei der kritische Faktor ist, muss das Management diese Transformation aktiv und zum Teil auch detailliert mit steuern, damit es funktioniert. Daher ist es meine Aufgabe den Bereich bestmöglich zu unterstützen und mich selbst aktiv einzubringen.

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Digitalisierung scheitert häufig nicht an den Programmen bzw. Softwarelösungen – sondern eher am Mindset und Einstellung der Mitarbeitenden. Wie gelingt es alle Mitarbeiter mit an Bord der Transformation zu holen?

Seeger: Ich glaube nicht, dass es an der Einstellung der Mitarbeitenden liegt, sondern an der Angst die zukünftigen Aufgaben nicht richtig bewältigen zu können. Es ändern sich Systeme, die Transparenz steigt, es kommen junge Menschen mit ganz anderen Anforderungen ins Unternehmen oder beim Kunden an entscheidende Stellen. Das alles ändert sich schnell – innerhalb weniger Jahre. Es geht also nicht um die Frage der Überzeugung, sondern um die Beantwortung der Frage „What´s in for me?“.

Diese Frage kann man pauschal nicht beantworten und es wäre auch falsch davon auszugehen, dass sich die Menschen nicht verändern müssen. Der Prozess beginnt mit der Erklärung durch das Management über die Führungskräfte bis hin zu den Mitarbeitenden und muss die Entwicklung auch mit der erforderlichen Klarheit erläutern: Es wird sich etwas ändern, gegebenenfalls massiv. Es gehört auch zur Wahrheit, dass es keine Option ist, sich dieser Veränderung zu entziehen, denn der Kunde wird dann einen anderen Lieferanten finden. Ist die Klarheit hergestellt, dann sind Wege und Chancen aufzuzeigen, die das Unternehmen gehen wird. Dies bietet für jeden Mitarbeitenden eine Orientierung – die Mitarbeitenden im Unklaren zu lassen ist grundsätzlich falsch – diese Gruppe ist nicht verantwortlich für die Entwicklung und auch nicht für die Umsetzung im Unternehmen – sie sind nur meistens die am stärksten betroffene Gruppe. Erst wenn diese Klarheit da ist, dann kann wieder konstruktiv an den Themen gearbeitet werden.

Ein kleiner Ausblick: Was passiert, wenn Marketing und Vertrieb nicht digitalisiert werden?

Seeger: Hier reicht der Blick auf diejenigen Geschäftsmodelle, die glaubten, sich dieser Entwicklung entziehen zu können. Die prominenten Beispiele aus dem B2C nahen Warenhausumfeld zeigen dies eindrucksvoll: Hier liegt für die Digitalisierung der Kundenbeziehung bis heute kein tragfähiges ganzheitliches Modell vor. Die Ergebnisse dieses Versäumnisses sind uns allen bekannt und ein nicht unrealistisches Szenario, welche Konsequenzen eine versäumte digitale Transformation haben wird.

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