Kernkompetenzen, Markenwerte und USP – Teil 2 B2B Unternehmen brauchen klare Markenwerte
Die Definition der Markenwerte ist die Königsdisziplin bei der Markenpositionierung – und die Aufgabe, die immer am längsten und emotionalsten diskutiert wird. Idealerweise kennen Sie aus dem ersten Teil der Serie bereits die (echten) Kernkompetenzen Ihres Unternehmens. Diesmal geht es um den „Mittel-Teil“ der Markenpyramide: die Markenwerte.
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Was sind Markenwerte und wie findet man sie?
Jeder, der sich anfänglich mit diesem Thema beschäftigt, kommt schnell auf die folgenden Werte: Innovation, Kundenorientierung, Seriosität, Kompetenz, Vertrauen. Gratulation! Ich schätze, mindestens 80 Prozent aller Unternehmen haben diese Markenwerte. Damit befinden Sie sich also in sehr guter Gesellschaft und stehen nicht allein da. Genau betrachtet sind das keine Markenwerte, sondern Grundprinzipien jedes unternehmerischen Handelns und damit eine Selbstverständlichkeit.
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Kernkompetenzen, Markenwerte und USP – Teil 1
Wie B2B Unternehmen ihre Kernkompetenzen finden
Der Prozess der Definition und Findung von Markenwerten sagt schon viel über die Unternehmen und die Unternehmenskultur aus. Gern wird diese essenzielle Aufgabe an externe Berater oder Markenagenturen ausgelagert. Diese überlegen ein paar Werte, die dann in einem kurzen Meeting von der Geschäftsführung abgenickt werden. Dann verschwindet das Papier mit den Werten in den Schubladen und alle Beteiligten sind froh und dankbar, dass diese Aufgabe erledigt ist. Das jedoch ist der falsche Weg. Markenwerte sind von immenser Bedeutung und sollten jede einzelne Handlung des Unternehmens und der Mitarbeiter bestimmen. Markenwerte sollten in allen Abteilungen des Unternehmens für den spezifischen Bereich interpretiert werden und in den Alltag einfließen. Nicht zuletzt die Frage nach einem Kunden-Weihnachtsgeschenk wird von den Markenwerten beeinflusst.
Es geht nicht darum, ein Wunschbild aufzubauen
Bitte denken Sie daran: Es geht hier nicht darum, ein Wunschbild aufzubauen à la „So möchten wir gerne gesehen werden“. Wenn Sie Markenwerte nach außen kommunizieren, die Sie nicht erfüllen können, werden Sie nicht glaubwürdig sein (können) und damit letztendlich wenig Erfolg erzielen.
Wenn Sie bereits Markenwerte definiert oder „im Kopf“ haben, sollten Sie diese daraufhin überprüfen, ob sie den folgenden vier Kriterien entsprechen:
Die vier Siebe der Markenwerte:
- Ist der Markenwert inspirierend?
- Ist der Markenwert für den Kunden relevant?
- Ist der Markenwert authentisch, das heißt, passt er wirklich zu Ihrem Unternehmen?
- Ist der Markenwert differenzierend von der Konkurrenz?
1. Inspiration: Ein Markenwert ist dann inspirierend, wenn er zugleich Ansporn und Motivation ist. Ein Markenwert darf nicht abstrakt und interpretationsbedürftig sein. Vielmehr muss ein Markenwert bedeutungsvoll, vollkommen klar und eindeutig sein. Im Idealfall lässt er auch gleich eine Geschichte im Kopf eines jeden Mitarbeiters (und Kunden) ablaufen.
2. Relevanz: Der schönste Markenwert nutzt Ihnen nichts, wenn er für den Kunden nicht relevant ist. Das bedeutet: Ein Markenwert ist nur dann ein echter Markenwert, wenn er auch die Kaufentscheidung des Kunden beeinflusst.
3. Authentisch: Sie können einen Markenwert nur dann glaubwürdig vertreten und leben, wenn dieser auch im Unternehmen selbst oder in Ihren Leistungen begründet ist. Aufgesetzte und künstliche Markenwerte sind nicht glaubwürdig. Das spüren Mitarbeiter und Kunden. Und damit verlieren Sie die Akzeptanz beim Kunden und bei Ihren Mitarbeitern.
4. Differenzierend: Markenwerte sind keine „Me too“-Werte. Zumindest nicht, wenn sie glaubwürdig und überzeugend sein sollen. Was macht Sie im Vergleich zum Wettbewerb besonders? Was machen oder können Sie anders oder besser? Und: Woran können Sie das messen?
Ein Beispiel aus meiner Arbeit: Für einen meiner Kunden haben wir fünf inspirierende, relevante, authentische und differenzierende Markenwerte erarbeitet und diese in eine Priorisierung gebracht. Als oberster Markenwert wurde der Wert „Exzellenz“ definiert. Dieser Wert ist nun auch ein täglicher Ansporn für alle Führungskräfte und Mitarbeiter. Bei jeder Handlung fragen sie sich: Ist das wirklich exzellent? Kann ich den Kunden damit positiv überraschen? Setze ich mich damit von der Konkurrenz ab? Oder kann der Kunde diese Handlung bei jedem anderen Wettbewerber auch erwarten? Soll heißen: Markenwerte sind nicht abstrakt – sie leben und bestimmen Ihre Handlungen und Ihre Kommunikation.
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An die Arbeit. Wie findet man nun die passenden Werte?
Nach meiner Erfahrung gibt es viele Methoden, wovon ich jedoch in meiner Praxis die folgenden drei Methoden anwende – abhängig von dem Unternehmen, der Zielsetzung und der verfügbaren Zeit.
Methode 1: Sammeln und brainstormen
Im Idealfall sind beim Prozess der Markenwerte-Definition Mitarbeiter aus allen Bereichen des Unternehmens anwesend. Warum? Weil am Ende alle Bereiche die Werte kennen und leben müssen. Weil jeder Bereich eben nur einen Teilaspekt des Unternehmens verkörpert und damit naturgemäß eigene Interessen vertritt. Und weil jeder Bereich/Mitarbeiter eine spezifische Sichtweise auf das Unternehmen, die Marke und die Produkte hat.
Um Markenwerte zu sammeln, beginnen Sie mit Fragen wie: Wie glauben Sie, werden wir von der Außenwelt als Unternehmen wahrgenommen? Welche Eigenschaften verbinden Sie mit unserem Unternehmen? Was erzählen Sie Ihren Freunden und Bekannten über unser Unternehmen? Welche Eigenschaften werden unseren Mitbewerbern zugeordnet? Was schätzen unsere Kunden am meisten an uns? Warum bevorzugen Kunden unsere Produkte gegenüber denen der Mitbewerber?
Oder: Jeder Teilnehmer soll sich folgende Situation vorstellen: Sie sitzen in einem Restaurant. Am Nebentisch unterhalten sich zwei Personen zufällig über Ihr Unternehmen und Ihr Angebot. Was möchten Sie gerne von den beiden Personen über Ihr Unternehmen (oder Ihr Angebot) hören?
Jede Information zählt und jede Antwort wird aufgenommen: auf Flipcharts, auf Karten, auf Metaplan-Wänden oder mithilfe von Online-Tools. Im ersten Schritt geht es hier also um die Sammlung von Informationen und Eigenschaften – in Stichworten oder auch kompletten Sätzen.
Highlighten Sie im Anschluss alle Aussagen, denen alle einstimmig zustimmen und die gleichzeitig glaubwürdig sind. Verdichten Sie die Liste mehr und mehr und wandeln Sie – wenn nötig – Aussagen/komplette Sätze in Eigenschaften um. Streichen Sie so lange Begriffe (und verwenden Sie dabei auch die vier oben beschriebenen Siebe!), bis nur noch maximal fünf Eigenschaften übrigbleiben. Diese werden dann jeweils mit zwei bis drei Sätzen so definiert, dass sie wirklich eindeutig und unmissverständlich sind, damit jeder Mitarbeiter, Kunde und Geschäftspartner ab sofort das gleiche Verständnis in Bezug auf diese Eigenschaften hat.
Nochmals, da es so wichtig ist: Werte basieren auf sehr persönlichen Erfahrungen und Einstellungen. Sie lassen immer viel Platz für Interpretationen. Jeder versteht zum Beispiel unter „Ehrlichkeit“ etwas anderes. Deshalb müssen die Werte so exakt wie möglich ausformuliert werden, was manchmal ein längerer, schwieriger und emotionaler Prozess sein kann. Ein Beispiel: Es wurde der Wert „Offenheit“ definiert. Was genau bedeutet das für Ihr Unternehmen? Dass Sie offen für Neues sind (also passiv)? Sind Sie wirklich für alles offen? Oder zum Beispiel nur für Neuerungen aus bestimmten Bereichen? Oder bedeutet Offenheit für Sie, dass Sie in Ihrer Kommunikation zum Kunden immer offen sind (also aktiv)? Was genau würde es bedeuten, wenn Sie dem Kunden gegenüber immer offen sind? Dass Sie ihm erzählen, wenn es Probleme in der Fertigung gibt? Sie können bereits erkennen, dass es unzählige Interpretationsmöglichkeiten gibt. Deshalb ist es wichtig, den Markenwert so genau wie möglich zu definieren, damit Sie am Ende des Prozesses auch ein einheitliches Verständnis im ganzen Unternehmen schaffen können.
Methode 2: Das Personenmodell
Das ist meine persönlich präferierte Methode, die allerdings ein wenig mehr Zeit erfordert und ein gewisses Abstraktionsdenken der Teilnehmer voraussetzt. Das Vorgehen funktioniert wie folgt: Ich bitte die Teilnehmer darum, sich die Marke wie eine Person vorzustellen. Diese Person wird nun so detailliert wie möglich beschrieben. Wenn Ihr Unternehmen eine Person wäre, wie alt wäre sie? Ist sie männlich, weiblich oder geschlechtsneutral? Welchen Beruf würde sie ausüben? Wie würde diese Person wohnen? In der Stadt? Auf dem Land? In einer Loft-Wohnung oder einem eigenen Haus? Welches Auto würde sie fahren? Welche Freunde hätte diese Person? Und nicht zuletzt die wichtigste Frage: Welchen Charakter hat diese Person? Je präziser Sie diese Person beschreiben, desto bessere Informationen haben Sie später für all Ihre Marketingaktivitäten. Denn bei Fragen wie: „Welche Art Geschenke würde diese Person machen?“ lassen Sie später ganz einfach und schnell zum Beispiel ein Kundenpräsente-Sortiment aufbauen. Oder einen Beschwerdeleitfaden erstellen. Oder die richtigen Worte (Kommunikation) in der Kundenansprache finden.
Für die Aufgabe der Markenwerte ist der beschriebene Charakter der Person ausschlaggebend. Ist sie loyal, erfinderisch, seriös, konservativ etc.? Wie bei der vorherigen Methode geht es im nächsten Schritt um die Verdichtung der Eigenschaften – bis zu einer Liste von maximal fünf Werten, die dann wiederum mit jeweils zwei bis drei Sätzen exakt definiert werden. Zum Schluss bringen Sie die definierten Werte noch in eine Prioritätenliste. Nach der Priorisierung ist der oberste Wert natürlich Ihr wichtigster Markenwert.
Beispiele aus meiner Praxis:
Der oberste Markenwert des Unternehmens lautet Motivation. Die Ausformulierung: „Motivation ist der oberste Markenwert. Motivation ist der Wert, der das Unternehmen von anderen Portalen unterscheidet. Er wird in jeder einzelnen Handlung sichtbar und spürbar. Das Unternehmen zeigt Tatkraft und Initiative, möchte etwas vorantreiben und bewegen. Das Unternehmen motiviert Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeiter zu bestmöglichen Ergebnissen, zum permanenten Dialog/Austausch, zur größtmöglichen Zufriedenheit.“
Bei dieser Methode kamen in meiner Praxis bereits erstaunliche Ergebnisse zutage. Ein weiteres Beispiel aus meiner Praxis: Bei einem mittelständischen Unternehmen, das bereits seit über 20 Jahren erfolgreich auf dem Markt tätig war, befragte ich die vier Geschäftsführer und die sechs Bereichsleiter jeweils einzeln. Ich bat sie also, sich das Unternehmen als Person vorzustellen, und ließ sie diese (angeleitet mit insgesamt acht Fragen) so präzise wie möglich beschreiben. Als Ergebnis bekam ich sechs komplett unterschiedliche Personen, die sich lediglich im Alter einigermaßen glichen. Sie können sich die Überraschung vorstellen, als ich diese im kompletten Kreis präsentierte. Es entwickelte sich eine sehr lebhafte und längere Diskussion, an deren Ende alle Beteiligten ihre Sichtweisen und Personen dargelegt und sich auf eine Person (inklusive Charakter und Lebensweise) geeinigt hatten. Dieser Prozess war sehr wichtig, weil dabei klar wurde, dass die Ursache vieler Probleme in der Vergangenheit genau auf diesen unterschiedlichen Sichtweisen basierte. Nach diesem temperamentvollen Prozess lief der weitere Workshop quasi wie eine präzise aufgestellte Dominostein-Reihe, in welcher der erste Stein angestoßen wurde und die restlichen Steine in einer großartigen Formation umfielen. Alles, was danach erarbeitet wurde, war somit „eh klar“ und logisch.
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Markenbildung
5 Schritte in eine erfolgreiche Selbstständigkeit
Methode 3: Die Markenwerteliste
Wenn nur wenig Zeit für die Entwicklung der Markenwerte ist, verwende ich gern eine einfache und wirkungsvolle Methode. Ich habe eine Liste mit circa 200 Werten entwickelt, die ich laut vorlese. Bevor ich anfange, die Liste vorzulesen, bitte ich alle Anwesenden, sich auf das Experiment einzulassen. Das bedeutet: Ich lese jeden Wert einzeln (zügig) vor. Immer, wenn sich der „Bauch“ eines Anwesenden „meldet“, gibt er ein kurzes Signal und der Wert wird (ohne Diskussion oder Erklärung) markiert. Meist habe ich nach dem ersten Vorlesen eine Auswahl von 30 bis 40 Werten. Alle 200 Werte habe ich auf Moderationskarten einzeln notiert. Die Moderationskarten der markierten Werte werden nun auf eine Metaplan-Wand gepinnt oder auf dem Boden ausgebreitet. Im nächsten Schritt werden die Werte geclustert und kurz andiskutiert. Oftmals ähneln sich Werte oder Teilnehmer ordnen zwei scheinbar unterschiedlichen Werten die gleiche Bedeutung zu. Meist werden in diesem Schritt auch bereits einige Werte wieder aussortiert. Als erstes Teilergebnis ergeben sich nun maximal fünf Werte-Cluster, die mit einem zusammenfassenden (übergeordneten) Wert benannt werden.
Nach der Sammlung und Clusterung geht es wieder um das weitere Sortieren und Verdichten. Um ein einheitliches Verständnis zu schaffen und Missverständnisse zu vermeiden, ist eine exakte Definition der Werte erforderlich. Der nächste Schritt ist wiederum die Priorisierung der Werte.
Die richtige Priorisierung der Markenwerte
Es ist wichtig, dass Sie die Markenwerte in eine Priorität bringen. Manchmal kommt es zu Situationen, wo nicht alle Werte berücksichtigt werden können. Der oberste Markenwert jedoch wird niemals missachtet oder verletzt.
Die wichtigsten zwei Fragen für die Priorisierung sind:
- 1. Ist dieser Wert für den Kunden wichtig und relevant?
- 2. Können wir diesen Wert als Unternehmen tatsächlich leisten?
Als Ergebnis haben Sie also alle Werte einsortiert und wissen nun, welcher Wert an oberster Stelle steht – und damit der für Ihr Unternehmen und Ihren Kunden wichtigste Wert ist. Auch alle anderen Werte sind in der Grafik enthalten und zeigen Ihnen somit gleichzeitig Ihre Stärken und Schwächen.
Werte sind ein Ausdruck Ihrer Haltung
Bitte denken Sie daran: Werte sind immer auch ein Ausdruck der inneren Haltung. Die Werte, die Sie nun definiert haben, sind ab sofort die Basis Ihrer Handlungen. Deshalb ist die Definition der Markenwerte auch eine nicht delegierbare Aufgabe der Geschäftsleitung. Agenturen, externe Dienstleister oder Marketingleiter können in diesem Fall nur Vorarbeit leisten. Die Begründung liegt auf der Hand: Markenwerte sollen tagtäglich (und in jedem Bereich des Unternehmens) für den Kunden erlebbar und spürbar sein.
Der Bau Ihrer Markenpyramide ist nun schon zu zwei Drittel geschafft. Im nächsten Artikel erfahren Sie, wie Sie die Spitze der Pyramide – Ihren USP/Ihr Alleinstellungsmerkmal – finden.
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