Expertenbeitrag

Prof. Dr. Dirk Lippold

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Dozent, Autor, Guest Speaker, Dialog.Lippold

Marktsegmentierung im B2B-Bereich – Teil 3 Die Mikrosegmentierung im B2B-Markt im Detail

Autor / Redakteur: Prof. Dr. Dirk Lippold / Alicia Weigel |

Neben der Makrosegmentierung gibt es auch die Möglichkeit der Mikrosegmentierung. Welche Vorteile diese Marktsegmentierung mit sich bringt und wie Sie diese in Ihrem Unternehmen einsetzen können, erfahren Sie hier in Teil 3 der Reihe „Marktsegmentierung im B2B-Bereich“.

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Die Marktsegmentierung als erste Phase der Marketing-Gleichung ist nicht nur für den B2C-Bereich, sondern auch für das B2B-Geschäft von überragender Bedeutung.
Die Marktsegmentierung als erste Phase der Marketing-Gleichung ist nicht nur für den B2C-Bereich, sondern auch für das B2B-Geschäft von überragender Bedeutung.
(Bild: gemeinfrei / Unsplash)

Endkonsumenten haben in vielerlei Hinsicht ein anderes Kaufverhalten als Organisationen. Unternehmen kaufen ein, um Produkte oder Dienstleistungen für Kunden zu erstellen. Behörden erwerben Güter bzw. Dienstleistungen, um die ihnen übertragenen Aufgaben zu meistern. Um einen Überblick über alle Kundengruppen zu erhalten, ist es ratsam, diese in sogenannte „Segmente“ einzuordnen. Dabei gibt es zwei verschiedene Herangehensweisen. Die Makrosegmentierung haben Sie dabei schon in Teil 2 „Die Makrosegmentierung im B2B-Markt im Detail“ kennengelernt. Nun folgt die Mikrosegmentierung.

Die Mikrosegmentierung im Überblick

Während in der Makrosegmentierung die strategisch bedeutsame Auswahl des zu bearbeitenden Marktausschnitts (Zielgruppe) getroffen wird, legt die Mikrosegmentierung fest, welche Zielpersonen innerhalb der zuvor definierten Zielgruppe angesprochen werden sollen. Die Merkmale der an der Kaufentscheidung beteiligen Personen, wie Stellung in der Hierarchie, Zugehörigkeit zu bestimmten Funktionsbereichen oder persönliche Charakteristika, können hierfür herangezogen werden. Für das B2B-Marketing ist diese Multipersonalität von besonderer Bedeutung.

Vier Zielpersonenkonzepte bieten sich besonders an:

  • Hierarchisch-funktionales Zielpersonenkonzept
  • Buying Center
  • Kommunikationsorientiertes Zielpersonenkonzept
  • Promotoren-Opponenten-Modell

Das Hierarchisch-funktionale Zielpersonenkonzept

Als eine sehr pragmatische Abgrenzung von Personen, die bei der Auswahl insbesondere von IT-orientierten Dienstleistungen (z. B. ERP-Einführungsberatung, SOA, SaaS) beteiligt sind, hat sich das hierarchisch-funktionale Zielpersonenkonzept erwiesen. Es geht davon aus, dass in den Beschaffungsprozess des Kundenunternehmens mindestens drei Funktionsbereiche involviert sein können: die Geschäftsleitung, das IS-/IT-Management (CIO) und die Fachabteilung.

Mögliche hierarchische Ausprägungen der einzelnen CXOs
Mögliche hierarchische Ausprägungen der einzelnen CXOs
(Bild: Dirk Lippold)

Besonders interessant ist meist das „Zusammenspiel“ zwischen dem Chief Executive Officer (CEO) und dem Chief Operating Officer (COO). Während der CEO eher generelle und vor allem strategische Entscheidungen innerhalb und für das Unternehmen trifft, leitet der COO das operative Geschäft des Unternehmens. Das bedeutet, dass er verantwortlich ist für die Qualität und die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte beziehungsweise Dienstleistungen, die das Unternehmen am Markt anbietet. Dazu koordiniert er sämtliche operativen Teilbereiche des Unternehmens.

Das Buying Center

Bei wichtigen Beschaffungsvorhaben des Kunden wirken auf dessen Seite zumeist mehrere Personen als Entscheider oder Entscheidungsbeteiligte mit. Ein solches Gremium wird als Buying Center bezeichnet. Es weist den Beteiligten verschiedene Rollen im Hinblick auf die Auswahlentscheidung zu:

  • Initiatoren (engl. Initiator) regen zum Kauf eines bestimmten Produktes an und lösen den Kaufentscheidungsprozess aus.
  • Informationsselektierer (engl. Gatekeeper) strukturieren Informationen über das zu beschaffende Produkt vor, bringen diese in das Buying Center ein und steuern den organisationsinternen Informationsfluss.
  • Beeinflusser (engl. Influencer) sind formal zwar nicht am Beschaffungsprozess beteiligt, verfügen aber als Spezialisten über besondere Informationen.
  • Entscheider (engl. Decider) sind jene Organisationsmitglieder, die aufgrund ihrer hierarchischen Position letztlich die Kaufentscheidung treffen.
  • Einkäufer (engl. Buyer) besitzen die formale Kompetenz, Lieferanten auszuwählen und den Kaufabschluss zu tätigen.
  • Benutzer (engl. User) sind schließlich jene Personen, die die zu beschaffenden Güter und Dienstleistungen einsetzen bzw. nutzen werden.

Von besonderer Bedeutung für das B2B-Marketing ist es, die Mitglieder des Buying Center zu identifizieren und diese in ihrem Rollenverhalten zu analysieren.

Buying Center bilden sich informell und sind in der Regel nicht organisatorisch verankert. Daher sind Umfang und Struktur dieses Einkaufsgremiums auch nur sehr schwer zu erfassen. Es lässt sich aber die These vertreten, dass die Anzahl der jeweils Beteiligten am Buying Center im Wesentlichen von folgenden Faktoren abhängt:

  • Wert bzw. Größe und Komplexität des Beschaffungsobjektes
  • Einfluss des zu beschaffenden Produkts bzw. der Problemlösung auf Prozesse und Organisation
  • Informationsbedarf über das Investitionsobjekt
  • Unternehmensgröße
  • Art und Ausprägung des Einkaufsprozesses (zentral/dezentral organisierter Ein-kauf, Anzahl der benötigten Unterschriften)
  • Unternehmenskultur bezüglich Innovationen und Entscheidungsfindung.

Das kommunikationsorientierte Zielgruppenkonzept

Ein Kommunikationskonzept enthält folgende Elemente.
Ein Kommunikationskonzept enthält folgende Elemente.
(Bild: Dirk Lippold)

Im Vordergrund des kommunikationsorientierten Zielpersonenkonzepts steht eine Typologisierung der Zielpersonen. Diese Typologisierung grenzt die Zielpersonen nach ihrer Stellung, ihrem Verhältnis und Kenntnisstand gegenüber dem anbietenden Unternehmen ab. Das Modell unterteilt die gesamte Zielgruppe in Indifferente, Sensibilisierte, Interessierte und Engagierte bezüglich ihrer Einstellung zum Angebot des Unternehmens.

Indifferente: Sie bilden den größten Teil der Zielpersonen. Sie stehen dem Unternehmen mit seinem Produkt- und Leistungsprogramm uninformiert und uninteressiert gegenüber. Kommunikationsziel muss es hier sein, die Indifferenten zu sensibilisieren, um Aufmerksamkeit zu erhalten.

Sensibilisierte: Hier gilt es, das Interesse dieser Sensibilisierten auf das eigene Unternehmen zu lenken. Das Ziel lautet also, diese zu interessieren. Den Sensibilisierten ist deutlich zu machen, dass unter allen Anbietern im definierten Marktsegment keiner mehr Vertrauen verdient als das signalisierende Unternehmen.

Interessierte: Um Interessierte für das Unternehmen zu engagieren, muss der Kaufentscheidungsprozess dahingehend beeinflusst werden, dass sich der Interessent für das ihm angebotene Produkt entscheidet. Ziel ist hier letztlich der Kaufakt.

Engagierte: Er formiert sich aus den Kunden. Besonders wichtig ist der Kunde deshalb, weil nicht nur sein Neu- sondern auch sein Ersatzbedarf ein erhebliches Absatzpotenzial darstellt. Die Engagierten tragen entscheidend dazu bei, dass das Unternehmen jetzt und in Zukunft erfolgreich ist. Kur-um: Der Kunde ist in seiner Kaufentscheidung zu bestätigen. Das Ziel für die Kernzielgruppe lautet daher Bestätigung.

Das Promotoren-Opponenten-Modell

Bei Investitionsprojekten, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Veränderungsmanagement (engl. Change Management), also auf Struktur und Prozesse des beschaffenden Unternehmens haben, können die Akteure des Buying Center auch nach Promotoren oder Opponenten unterschieden werden, je nachdem, ob sie das Beschaffungsobjekt (z. B. Einführung eines ERP-Systems) eher fördern und unter-stützen oder eher behindern und verlangsamen. Je nach Art des Einflusses im Buying Center können Promotoren bzw. Opponenten weiter unterteilt werden:

  • Machtpromotoren bzw. -opponenten beeinflussen das Buying Center auf-grund ihrer hierarchischen Stellung in der Organisation.
  • Fachpromotoren bzw. -opponenten haben Einfluss aufgrund ihrer entsprechenden fachlichen Expertise und ihres besonderen Informationsstands.
  • Prozesspromotoren bzw. -opponenten beeinflussen den Entscheidungsprozess aufgrund ihrer formellen und informellen Kommunikationsbeziehungen in der Organisation. Sie unterstützen bzw. behindern den Kaufprozess, in dem sie Verbindungen zwischen Macht- und Fachpromotoren bzw. -opponenten herstellen.

Beziehungen und Funktionen von Macht-, Prozess- und Fachpromotoren
Beziehungen und Funktionen von Macht-, Prozess- und Fachpromotoren
(Bild: Dirk Lippold)

Fazit zu den Marktsegmentierungen: Mikrosegmentierung vs. Makrosegmentierung

Mit einer richtig verstandenen Segmentierung verschafft sich jedes Unternehmen Klarheit darüber, welche Märkte man bearbeiten will und welche Nutzenvorstellung die potenziellen Kunden in diesen Segmenten haben. Die Segmentierung als erste Phase der Marketing-Gleichung ist aber nicht nur für die B2C-Bereich, sondern noch viel mehr für das B2B-Geschäft von überragender Bedeutung. Insbesondere da im B2B-Marketing zwischen Zielgruppen und Zielpersonen unterschieden werden muss, ist entsprechend zwischen einer Makro- und einer Mikrosegmentierung zu differenzieren.

Die Makrosegmentierung konzentriert sich problembezogen auf eine effiziente Aufteilung des Gesamtmarktes in möglichst homogene Teilmärkte. Wichtig bei der Durchführung der Makrosegmentierung ist, dass sich die Unternehmen nicht nur in ein oder zwei Kriterien festlegen. Erst eine mehrdimensionale Marktausrichtung, die beispielsweise eine Konzentration auf wenige Branchen und Funktionen, bestimmte Betriebsgrößen in einem räumlich definierten Marktgebiet vorsieht, kann der Gefahr einer möglichen Verzettelung der knappen Entwicklungs- und Marketingkapazitäten begegnen.

Der Segmentierung auf Mikroebene liegt eine andere logische Dimension zugrunde als der Makrosegmentierung. Hier legt die Mikrosegmentierung fest, welche Zielpersonen innerhalb der zuvor definierten Zielgruppe angesprochen werden sollen. Als Kriterien zur Abgrenzung der Mikrosegmente können Merkmale der an der Kaufentscheidung beteiligten Personen, wie Stellung in der Hierarchie, Zugehörigkeit zu bestimmten Funktionsbereichen oder persönliche Charakteristika, herangezogen werden. Für das B2B-Marketing ist diese Multipersonalität von besonderer Bedeutung.

Weitere Informationen zur Marktsegmentierung

Weitere Informationen über die Marktsegmentierung im B2B-Bereich finden Sie im Buch "B2B-Marketing und -Vertrieb. Die Vermarktung erklärungsbedürftiger Produkte und Leistungen" von Dirk Lippold.

*Quelle: D. Lippold: B2B-Marketing und -Vertrieb. Die Vermarktung erklärungsbedürftiger Produkte und Leistungen, Berlin/Boston 2021.

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