„Campen“ für den Kulturwandel Corporate Barcamp als Einstieg in die Digitalisierung

Autor / Redakteur: Ute Lange / Georgina Bott |

Die digitale Transformation ist mehr als ein IT-Projekt. Ohne eine Unternehmenskultur, die Mitarbeiter in Veränderungsprozesse einbindet, funktioniert die Digitalisierung nicht. Ein Corporate Barcamp kann als Einstieg in die Arbeitswelt der Zukunft dienen.

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Corporate Barcamps offen gestaltete Diskussions- und Strategietreffen, bei denen sich alle Teilnehmer auf Augenhöhe begegnen.
Corporate Barcamps offen gestaltete Diskussions- und Strategietreffen, bei denen sich alle Teilnehmer auf Augenhöhe begegnen.
(Bild: gemeinfrei / CC0 )

Know-how-Transfer und die Einbindung der unterschiedlichsten Abteilungen und Akteure eines Unternehmens sind auf dem Weg der Digitalisierung entscheidende Meilensteine. Diese Erkenntnis gilt heute als gesichert – von Großkonzernen bis hin zu kleineren Mittelständlern. In den meisten Fällen fehlen allerdings durchdachte Konzepte, die digitale Unternehmensrealität sieht eher ernüchternd aus.

Die größte Barriere beim Einstieg in ein digital versiertes Unternehmen ist dabei die Tatsache, dass der Transformationsprozess nicht nur eine Angelegenheit der IT ist, sondern einem kulturellen Wandel gleichkommt. Es geht darum, Hierarchien abzubauen, Silos einzureißen, eine agile Organisation zu schaffen und eine Fehlerkultur zuzulassen. Da dafür meist eine übergreifende Strategie fehlt, entscheiden sich CEOs und Manager gerne für andere Maßnahmen. Als derzeit bevorzugte Einstiege in die Digitale Transformation zählen die Einstellung eines Chief Digital Officers (CDO), das Engagement qualifizierter Berater, das Outsourcing bestimmter Bereiche, wie die Produktentwicklung, der Aufbau eines firmeneigenen Hubs, die Einrichtung abteilungsübergreifender Co-Working-Spaces oder der Start mit einem ersten, finanziell überschaubaren Referenzprojekt.

Innovation und Veränderungsprozesse entstehen Bottom-up

Jede dieser Maßnahmen hat ihre Berechtigung und ist in bestimmter Hinsicht zielführend. Allerdings ignorieren alle Vorgehensweisen die eigenen Angestellten. Doch die Mitarbeiter sind elementar auf dem Weg in die Zukunft, sie müssen die Digitale Transformation letztendlich umsetzen. Wichtig ist es deshalb, sie zu motivieren, zu unterstützen und von ihren (bislang verborgenen) Fähigkeiten zu profitieren. Sie sollten in einen kontinuierlichen Fortbildungsprozess involviert sein und mit der neuen Arbeitswelt vertraut gemacht werden. Denn die sieht ganz anders aus als früher: zeitlich flexibles Arbeiten statt „9 to 5“ oder kein fester Arbeitsplatz statt immer der gleiche Schreibtisch.

Im Umkehrschluss bedeutet dies: Bislang gültige Management-Methoden verlieren in der digitalen Welt an Bedeutung. Gefragt sind nicht mehr Anweisungen der Geschäftsführer, die umgesetzt werden müssen. Digital Leader beziehen ihre Mitarbeiter ein, stellen ihnen die richtigen Fragen, lassen sie aber sonst weitgehend eigenverantwortlich arbeiten – sie nutzen damit deren Potenzial für ein agiles Unternehmen.

Barcamp: neuer Zugang zu Informationen

Eine geeignete Methode, diesen Kulturwandel von Beginn an zu leben, ist ein Corporate Barcamp durchzuführen. Dabei handelt es sich um ein offen gestaltetes Diskussions- und Strategietreffen, bei dem sich alle Teilnehmer auf Augenhöhe begegnen. Diese auch als „Unkonferenz“ bezeichnete Veranstaltung geht auf den US-Software-Entwickler Tim O’Reilly zurück, der im Jahr 2005 ausgewählte Personen in Kalifornien zu einem Treffen mit Übernachtung – eben einem Camp – einlud, um sich mit ihnen auszutauschen und neue, digitale Ansätze zu entwickeln.

Im Unterschied zu eher formalen Veranstaltungen wie Open Space oder Brainstorming ist in einem Barcamp alles möglich, aber nichts nötig. Alle Teilnehmer können den Ablauf beeinflussen, organisieren, Vorträge und Diskussionsrunden – sogenannte Sessions – koordinieren. Ob Manager oder Praktikant – alle können sich aktiv an Überlegungen über den künftigen Unternehmenskurs beteiligen. Der offene Austausch fördert höchst kreative und innovative Ansätze, die ohne das Barcamp nie entwickelt worden wären. Weitere Vorteile sind der intensive Wissensaustausch, die Motivation der Mitarbeiter sowie die langfristigen Impulse, die von einer solchen Veranstaltung ausgehen können. Zudem präsentieren Führungskräfte eine neue Seite. Durch ein Barcamp werden sie nachweislich als nahbarer, authentischer und „demokratischer“ von der Belegschaft wahrgenommen. Alles genau die richtigen Grundlagen, die für den Einstieg in einen digitalen Kulturwandel notwendig sind.

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Woher stammt der Name Barcamp?

Tom O'Reilly nannte sein erstes Camp „FooCamp“, wobei „Foo“ für „Friends of O'Reilly“ stand. Vielen Programmierern war O‘Reillys Ansatz jedoch zu exklusiv. Sie wollten Veranstaltungen, die offen für alle Interessierten sind. Also wählten sie – sozusagen als Gegenentwurf – für ihre Treffen den Begriff „Bar“, der in der Informatik ebenso wie „Foo“ als Platzhalter verwendet wird.

Was braucht man, um ein Barcamp durchzuführen?

Ein Corporate Barcamp kann je nach Bedarf einen halben, einen ganzen oder zwei Tage dauern. Das Format kann firmenintern oder mit zusätzlichen externen Teilnehmenden (z.B. Kunden, Projektpartnern, etc.) stattfinden. Für die Durchführung erforderlich:

  • mindestens ein großer Raum, in dem die Anfangs- und Schlussrunde mit allen Teilnehmenden stattfinden kann
  • mehrere kleinere Räume für Sessions
  • ein Foyer oder Raum, in dem ein Buffet aufgebaut, gegessen, Kaffee getrunken und geplaudert werden kann
  • idealerweise ist die Bestuhlung der Räume flexibel, damit bei Bedarf umgestellt werden kann
  • idealerweise sollten alle Räume mit Beamer, Leinwand, Flipchart, WLan-Anschluss für Sessiongeber ausgestattet sein
  • eine Tonanlage, zumindest im großen Raum
  • falls angeboten, ein Raum für Kinderbetreuung
  • nach Möglichkeit barrierefreie Zugänge

Impulse für Konzerne und Mittelstand

Große Konzerne wie beispielsweise die Telekom oder auch die Commerzbank haben den Nutzen von Barcamps längst entdeckt und für sich genutzt. Doch auch im Mittelstand und in anderen Branchen bieten Corporate Barcamps Chancen für den erforderlichen Kulturwandel in Unternehmen.

Ein Beispiel: Erst kürzlich haben wir für eine Tourismusorganisation aus dem Bereich Destination Marketing ein Barcamp durchgeführt. Ziel war es hier, die Chancen der Digitalisierung besser zu nutzen. Der Session Pitch führte zu einer Vielzahl von Gruppendiskussionen, in denen mehrere höchst relevante Fragestellungen debattiert wurden. Der Austausch führte Angestellte zusammen, die sich bisher kaum kannten. Es entstanden abteilungsübergreifende Netzwerke und Gruppen, die sich auch nach dem Barcamp über Messaging-Dienste weiter austauschten und so zu neuen Lösungen kamen. Bereits nach wenigen Wochen wurden erste Probleme im Unternehmen gelöst.

Manchmal ist es auch sinnvoll, Kunden und Geschäftspartner in das Barcamp einzubinden. Dadurch erhält das Unternehmen zusätzliche Impulse von außen, gleichzeitig kann es sich als offen und innovativ präsentieren. Als ein Unternehmen, das die Digitale Transformation gezielt in Angriff nimmt und dabei das wichtigste Potenzial ausschöpft, das es hat: seine Kunden und Mitarbeiter.

Ute Lange ist Moderatorin, Trainerin und Kommunikationscoach.
Ute Lange ist Moderatorin, Trainerin und Kommunikationscoach.
(Bild: Ute Lang / © European Union)

Über die Autorin

Ute Lange ist Barcamperin aus Überzeugung, als Teilnehmerin und erfahrene Veranstaltungsmanagerin. Die versierte Führungsfrau zeichnete viele Jahre lang verantwortlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die interne Kommunikation von entwicklungspolitischen Organisationen. In dieser Zeit hat sie erfolgreich Veränderungsprozesse gemanagt und kommunikativ begleitet. Als gelernte Journalistin hat sie unter anderem für den Berliner „Tagesspiegel“, die „Washington Post“, den „Californian“ in Salinas, Online-Redaktionen der Bundeswehr und die „Deutsche Welle“ in Bonn gearbeitet. Heute konzipiert und moderiert sie Veranstaltungen unterschiedlicher Art, unter anderem seit 2010 die Socialbar Bonn – ein Format, das sich mit den Potenzialen digitaler Medien für gesellschaftlichen Wandel beschäftigt.

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