DMEXCO @home „The new normal“?! Revolutioniert die DMEXCO 2020 die Zukunft der digitalen Events?
Dominik Matyka (Chief Advisor) nennt sie „eine Kombination aus Netflix, Zoom und LinkedIn“ – die DMEXCO @home 2020. Die integrierten Konzepte und Features sind digital gedacht. Wer sich die neue Plattform anschaut, trifft auf viele innovative Ideen – und erahnt einige Herausforderungen.
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Die Plattform setzt neue Maßstäbe – oder?
Eins vorneweg: Die Verantwortlichen der DMEXCO begnügen sich nicht damit, die Logik eines analogen Events in den digitalen Raum zu transferieren. Es gibt keine virtuellen Messestände mit rudimentär animierten Avataren und auch keine virtuellen Messehallen, durch die sich Besucher wie durch ein virtuelles Amazon-Kaufhaus navigieren müssten.
Stattdessen versucht das Team, digitale und bewährte Produktansätze zu adaptieren und in einer neuen Plattform zu bündeln: Diese kombiniert die unkomplizierte Userführung und das Streaming-Erlebnis eines Netflix mit Live-Interaktionsmöglichkeiten in Form von Audio- und Videochats von Zoom und rundet beide Features mit Social-Network-Funktionen analog zu LinkedIn ab. Gerade Letzteres ist ein integraler Bestandteil der Plattform, denn mit dem „Discovery Graph“ werden für die Teilnehmer alle direkten Kontakte sowie das Netzwerk der Kontakte visualisiert. In Kombination mit dem interessensbasierten Matchmaking ergibt sich hier ein Ansatz, der einen der größten Nachteile bisheriger Lösungen kompensiert: Das Interagieren mit einem neuen Kontakt, basierend auf Interessen, ergänzt um gemeinsame persönliche Beziehungen.
Auch für die Aussteller hat man sich etwas Neues überlegt: Brand-Showrooms mit umfangreichen Darstellungs- und Interaktionsmöglichkeiten für die Kunden entsprechen zwar mittlerweile dem Standard, sind allerdings stimmig umgesetzt. Über eigene Virtual Cafés haben Aussteller jedoch die Möglichkeit, sowohl öffentliche wie auch geschlossene Sessions abzuhalten und damit ein eigenes digitales Event-in-Event-Konzept zu realisieren. Allerdings interessieren sich Aussteller nicht nur für ein adäquates Branding, sondern vor allem für die Generierung von Leads: Die DMEXCO @home versucht mit speziellem Content und kuratierten, digitalen Goodie-Bags möglichst viele Touch- und Conversionpoints zu setzten, um die Daten potenzieller Kunden direkt am Point of Interest zu erheben.
Einen alternativen Weg für die Leadgenerierung bietet das User-Reporting in Echtzeit. Aussteller können – ähnlich wie bei Heatmap-Tools, die die Usability und das Nutzerverhalten auf Webseiten mitschneiden – genau mitverfolgen, wie sich die User in ihrem digitalen Brand-Showroom bewegen. So haben Aussteller während der Event-Tage die Gelegenheit, gezielt Interessenten anzusprechen. Denn das Feature bietet einen Gesprächsanlass, mit dem sich Vertriebsmitarbeiter den digitalen Besuchern nähern können. Damit wird eine der vielleicht größten Gaps zwischen Live- und Digitalkommunikation geschlossen – hier wurde mitgedacht.
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Virtuelle B2B Messen und Events
„Wir werden das Momentum der aktuellen Digitalisierung mit in die Zukunft nehmen“
Was kann jetzt noch schief gehen?
Die Plattform – und wir haben sie nur auszugsweise vorgestellt – ist mächtig. Ironischerweise liegt aber genau darin die Herausforderung für solch ein ambitioniertes Projekt. Denn um das volle Potenzial der Lösung zu nutzen, müssen sich sowohl die teilnehmenden Unternehmen als auch die User intensiv mit Möglichkeiten und Funktionen auseinandersetzen. Denn der Erfolg eines digitalen Events bemisst sich neben der rein quantitativen Besucherzahl vor allem über das aktive Engagement der Teilnehmer.
Auf Ausstellerseite macht sich die Herausforderung bereits in der Messeorganisation bemerkbar: Das bewährte Messe-Team beschäftigt sich nicht mehr mit Standgestaltung, Raumkonzepten, Catering, Give-Aways und Logistikfragen. Vielmehr muss es einen digitalen Content-Showroom gepaart mit interaktiven Eventformaten und digital hochwertigen Touchpoints kreieren. Vertriebsmitarbeiter, die normalerweise persönliche Kundengespräche am Messestand führen, werden bei der DMEXCO @home definitv erfolgreicher sein, wenn sie auf relevante LinkedIn- und Zoom-Erfahrung zurückgreifen können, in der Lage sind, sich in kürzester Zeit mit den Funktionsweisen der Plattform vertraut zu machen und ein entsprechend aussagekräftiges Profil „leben“.
Auch für Besucher gibt es Neuheiten: Die Teilnahme ist nicht kostenlos. Das widerspricht zunächst den jüngsten Usererfahrungen, ist es doch schon schwer genug, überhaupt genügend Teilnehmer für digitale Events zu begeistern. Eingeladen vom Aussteller, können die User via Guest Account allerdings ein vollständiges Profil mit Interaktionsfunktionen nutzen – dies gilt für die Vorträge und Inhalte des einladenden Ausstellers. Um alle Inhalte der Konferenz erleben zu können oder andere Unternehmen in ihren Brand-Showrooms zu besuchen, muss der Guest User „vor Ort“ sein Ticket kostenpflichtig upgraden. Dadurch, dass jeder Aussteller eine unbegrenzte Anzahl an Guest Accounts vergeben kann, dürfte die digitale DMEXCO für die nötige, kritische Masse an Teilnehmern sorgen. Darüber hinaus werden den Teilnehmern – wie bei klassischen Freemium-Modellen – am Point of Sale die relevanten Anreize für eine Kaufentscheidung präsentiert. Damit könnte die DMEXCO eine der ersten Digitalmessen werden, die sich neben Ausstellerumsätzen zu einem relevanten Anteil durch Erlöse von Teilnehmern finanziert.
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DMEXCO @home
DMEXCO 2020 findet rein digital statt
Die Komplexität, die ein umfangreiches Tool wie die Eigenkreation der DMEXCO @home mit sich bringt, fordert jedoch auch die Besucher. Es gilt: Je intensiver man sich mit der Plattform – bestenfalls schon im Vorfeld des Events – auseinandersetzt, desto mehr kann man von deren umfangreichen Features profitieren, insbesondere als Early Adopter. Das wiederum setzt bei den Usern entweder eine steile Lernkurve oder einschlägige Digitalkenntnisse voraus. Hier kommt der DMEXCO die Zielgruppe entgegen: Digitalmarketing-Experten darf man sicherlich unterstellen, sowohl über ausreichend Erfahrung als auch über die nötige Affinität und Neugierde für digitale Innovationen zu verfügen.
Sollten die Besucher hingegen den Aufwand scheuen, sich ein weiteres, umfangreiches Profil auf einer digitalen Plattform anzulegen und zu pflegen, hätte das massive Auswirkungen auf das Erlebnis der digitalen DMEXCO. Denn das Involvement der Besucher ist absolut erfolgskritisch, damit die Plattform und damit auch das digitale Event ihr Potenzial entfalten können: Discovery Graph, Matching und Virtual Cafés sind ohne vollständig gepflegte Profile und rege Teilnahme der User gute Ideen – aber auch nicht mehr. Es muss den Organisatoren also gelingen, die Zielgruppe zu aktivieren. Wenn das wiederum nicht einmal für die Digitalmarketing-Profis der DMEXCO funktioniert, ist es fraglich, ob sich die Plattformtechnologie auf andere, weniger digital-affine Messezielgruppen skalieren lässt.
Nach dem Event ist vor dem Event
Wir lehnen uns in einer Sache mal weit aus dem Fenster: Die DMEXCO @home wird einen neuen Benchmark für digitale Events etablieren. Für diese These spricht schon allein der enorme finanzielle Invest, der hier getätigt wurde. Ob sie das „new normal“ über die digital-affine Marketingbranche hinaus wird, bleibt abzuwarten. Immerhin liegt die Verantwortung, sich optimal vorzubereiten, bei Ausstellern und Teilnehmern. Fest steht jedoch: Die Plattform ist keine bloße Corona-Maßnahme, keine Kompensation für eine ausfallende Live-Messe – auch wenn sie initial nur zwei Tage „geöffnet“ sein soll. Diese Lösung und dieses Konzept sind kreiert worden, um auch in der Post-Corona-Ära das Geschäftsmodell „Event und Community“ digital, innovativ und interaktiv auszurichten. Ob es funktionieren wird, stellt sich am 23. und 24. September heraus.
* Über die Autoren: Doris Beckmann ist Geschäftsführerin von ngn – new generation network. Matthias Brandstätter ist Head of Digital Cooperations bei der Vogel Communications Group.
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