China Market Insider Warum Chinas Freihandelszonen für ausländische Investoren interessant sind
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Für seine erste „Gigafactory“ in China hat sich Teslas Gründer Elon Musk einen besonderen Standort ausgesucht – die Freihandelszone in Shanghai. Dass die Chinesen schnell sein können, hatte er vorher schon gehört. Trotzdem war Musk überrascht, mit welchem Tempo seine neue Autofabrik in der „Lingang New Area“, einem Teil der Freihandelszone, aus dem Boden gestampft werden konnte. Er redet seither viel vom „China Speed“.
Ein Meilenstein bei der Elektrifizierung der chinesischen Autoindustrie
Das Tempo war in der Tat beeindruckend. Weniger als ein Jahr hat es vom Baubeginn am 7. Januar 2019 bis zur Auslieferung des ersten Elektroautos „Model 3“ am 30. Dezember 2019 gedauert. „Niemals zuvor habe ich eine solche Geschwindigkeit beim Bau und bei den Genehmigungsprozessen gesehen“, sagte Elon Musk später.
Die Vorzeigefabrik gilt seither nicht nur als Meilenstein bei der Elektrifizierung der chinesischen Autoindustrie – sie hat auch das Interesse an Chinas Freihandelszonen (FHZ) neu belebt. Könnte es sich doch lohnen, eine solche FHZ auszusuchen, wenn man in China investiert oder ein Geschäft anmeldet? Die örtlichen Beamten in Shanghai stellen dies so dar. Er sehe seine Aufgabe darin, „Teslas Lingang Tempo“ zur neuen Norm für Investoren zu machen, sagte Chen Shihua, dort für Geschäftslizenzen zuständig, gegenüber der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua.
Die Auswahl der richtigen Freihandelszone erfordert Expertise
In 18 chinesischen Provinzen gibt es mittlerweile Freihandelszonen. Jede davon zielt auf bestimmte Industrien ab oder hat einen eigenen regionalen Fokus, was die Auswahl für ausländische Unternehmen ohne fachkundige Beratung vor Ort zu einem schwierigen Unterfangen machen kann. Die Lingang New Area in der FHZ Shanghai beispielsweise konzentriert sich auf Zukunftstechnologien. Investoren in Bereichen wie E-Autos, KI oder Biopharma lockt man dort mit einer in den ersten fünf Jahren von 25 auf 15 Prozent reduzierten Körperschaftsteuer.
Die FHZ Fujian legt ihren Fokus auf moderne Fertigungsverfahren, die neue FHZ auf der Südinsel Hainan, die flächenmäßig größte des Landes, ist besonders an Unternehmen in den Bereichen Petrochemie und Biopharma interessiert. Der Fokus bedeutet nicht, dass Unternehmen aus anderen Branchen nicht willkommen sind. Doch wirkliche Erleichterungen bei Lizenzen und Steuern gibt es oft nur für Investitionen aus den besonders umworbenen Branchen.
Sechs erst im vergangenen Jahr neu deklarierte FHZ (vorher gab es sie in 12, nun sind es 18 Provinzen), darunter die in Guangxi und Heilongjiang, verstehen sich mehr als regionale Links zu Chinas Nachbarländern, und sollen als Antwort auf den Handelskrieg Donald Trumps „neue, verlässlichere Handelsbeziehungen“ erschließen, ist in China zu hören.
Freihandelszonen bieten Vorteile bei der Zollabfertigung
In den FHZ gilt eine kürzere „Negativliste“ für diejenigen Wirtschaftsbereiche, die noch immer nicht in der Volksrepublik China investieren dürfen. Die Negativliste für die FHZ ist am 23. Juni dieses Jahres von 37 auf 30 reduziert worden. Im Rest des Landes sind es noch 33 „verbotene“ Industriebranchen.
Die Einfuhr von Gütern nach China ist in den FHZ zollfrei möglich. Erst beim Weitertransport in andere Gegenden Chinas fällt Zoll an, jedoch wird auch hier mit einer schnelleren Zollabfertigung geworben. Besonders für Unternehmen, die verderbliche Güter nach China einführen, kann dies den Ausschlag für eine FHZ in Hafennähe geben.
Die Lage der Freihandelszone ist entscheidend
Die meisten deutschen Unternehmen, die sich bislang für eine FHZ entschieden haben, sind in Shanghai, Tianjin, Qingdao oder in der Südprovinz Guangdong angesiedelt, weil die dortigen Häfen und die sonstige Infrastruktur dort am weitesten entwickelt sind. Für Zulieferer ist zudem die Nähe zu wichtigen Geschäftspartnern wichtiger als irgendeine besonders günstige Regulierung, die man sich in einem der regional hoch unterschiedlichen geführten FHZ-Büros in China ausgedacht hat.
Keine Internationalisierung des chinesischen Yuan durch Freihandelszonen
Es gibt auch viel Kritik an Chinas Freihandelszonen, und die ist auch auf einer generellen, historischen Ebene durchaus berechtigt. So sind die bei der Eröffnung der ersten FHZ in Shanghai im Jahr 2013 erweckten Erwartungen auf einen freieren Kapitalfluss, also eine Internationalisierung des chinesischen Yuan (Renminbi) und Vereinfachungen beim grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr insgesamt eher enttäuscht worden.
Vor Ort in den FHZ war da viel versprochen worden in Sachen erleichterter Umtausch, während die Zentralplaner in Peking aus gesamtwirtschaftlichen Erwägungen die Kapitalkontrollen seit 2013 in der Praxis eher noch verschärft haben. Solchen Problemen bei Geschäften in China entkommt man nicht einfach, indem man sein Unternehmen in einer FHZ ansiedelt.
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China Market Insider
Ausländische Investoren stehen in China wieder hoch im Kurs
Ausländische Investoren sind in Freihandelszonen besonders willkommen
Wer seinen Blick jedoch allein auf legale oder bürokratische Probleme beschränkt, übersieht möglichweise das wichtigste Argument für die Ansiedlung in einer chinesischen FHZ: Bei den reformorientierten Lokalbeamten, die Chinas FHZ leiten, sind ausländische Unternehmer in der Regel willkommener als im Rest des Landes.
Elon Musk ist hier wieder ein gutes Beispiel. Er hat für seine Gigafactory in der FHZ Shanghai 1,6 Milliarden US-Dollar (rund 1,35 Millionen Euro) an Krediten von chinesischen Staatsbanken erhalten. Auch wenn viele KMU nicht damit rechnen können, dass ihnen in China ein ähnlich roter Teppich ausgerollt wird: das eine oder andere konkrete Problem vor Ort wird in den FHZ schon wohlwollender gehandhabt als in anderen Landesteilen. Dies ist jedenfalls immer wieder in den Kreisen ausländischer Unternehmer in China zu hören.
Bei der Entscheidung für oder gegen die Ansiedlung in einer bestimmten FHZ in China lohnt es sich daher, nicht bloß taktisch – mit Blick auf Steuersätze und Formulare und Paragraphensammlungen – sondern auch strategisch mit Blick auf die in China entscheidenden Regierungsbeziehungen vorzugehen. Wer – wie Elon Musk – den chinesischen Industrieplanern entgegenkommt, der darf im Gegenzug auch auf ihr Wohlwollen hoffen.
*Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.
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