Studie zur Forschungsqualität Kommerzielle Forschung – unverdient schlechtes Image?

Autor / Redakteur: Sebastian Schindler / Lena Höhn |

Viele Diskussionen in der digitalen Werbewelt sind heute noch auf mangelndes Vertrauen in die Transparenz der Anbieter zurückzuführen. Thematisiert werden dabei nicht nur Website-Spoofing und Ad-Stacking, auch kommerziell veröffentlichte Studien stoßen mittlerweile auf Ablehnung, so Marketingprofessor Mark Ritson.

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Die kommerzielle Forschung muss noch einige Hürden überwinden, bis sich Qualität und Image in der Branche wieder bessern.
Die kommerzielle Forschung muss noch einige Hürden überwinden, bis sich Qualität und Image in der Branche wieder bessern.
(Bild: gemeinfrei / CC0 )

Doch wo liegen die Ursachen für diese ablehnende Haltung gegenüber kommerzieller Forschung? Inskin Media ist dieser Frage gemeinsam mit dem Forschungsinstitut Research Now SSI auf den Grund gegangen und hat eine explorative Umfrage darüber durchgeführt, wie digitale Marketingfachleute die Qualität der kommerziellen Forschung in der Werbebranche wahrnehmen.

Der Ruf kommerzieller Forschung leidet

Die Ergebnisse der Studie waren ernüchternd und aufschlussreich zugleich. Lediglich fünf Prozent der Befragten sind aktuell mit der Qualität von kommerzieller Forschung zufrieden, 95 Prozent finden hingegen, dass zunächst einige Unzulänglichkeiten auf Seiten der forschenden Unternehmen überwunden werden müssen, um langfristig eine Qualitätsverbesserung herbeiführen zu können. Diese Unzulänglichkeiten reichen von einem zu starken Einfluss der Sales-Agenda des Auftraggebers auf Fragestellung und Ergebnisse bis hin zu einem Mangel an Wertschätzung (und damit Anreizen) für qualitativ hochwertige Forschung.

Die Verbesserung der Qualität bedarf Anreize

Diese Ergebnisse sollten Unternehmen nicht entmutigen in Studien zu investieren, sondern die Diskussion über die Gegenwart und Zukunft der kommerziellen Forschung weiter anregen. Die Forschungsqualität der Branche wurde nämlich insgesamt mit einem akzeptablen Wert von 3,6 von 5 bewertet (1 bedeutet dabei eine sehr niedrige, 5 eine sehr hohe Qualität). Ganz so schlecht ist es demnach um das Vertrauen in kommerzielle Forschung nicht bestellt, dennoch zeigen die anderen Erkenntnisse der Studie, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema durchaus wichtig ist.

Die kommerzielle Forschung hat drei offensichtliche Hürden zu bewältigen:

  • 1. Ergebnisorientierung der relevanten wissenschaftlichen Publikationen (Studien mit nicht statistisch signifikanten Ergebnissen werden schlichtweg nicht publiziert)
  • 2. Schwache bzw. fehlende Evaluation durch Dritte, wie sie in der akademischen Welt üblich ist, die Mängel aufzeigt und Verbesserungsansätze liefert
  • 3. Fehlende (externe) Qualitätssicherungsprozesse

Daraus lässt sich allerdings nicht ableiten, dass die Qualität kommerzieller Forschung allgemein unzulänglich ist. Vielmehr zeigt es, dass der von Unternehmen in Auftrag gegebenen und finanzierten Forschung eine intrinsische Anreizstruktur und die notwendigen Mechanismen zur Selbstverbesserung fehlen. Die Frage, die sich bei den schlechten Umfrageergebnissen stellt ist, ob man das Qualitätsniveau von kommerzieller Forschung überhaupt ohne einen extrinsischen Druck- oder Belohnungsmechanismus anheben kann.

Der Wunsch nach Transparenz ist groß

Im Rahmen unserer Umfrage wollten wir von den Studienteilnehmern wissen, wie man die Wahrnehmung der Forschungsergebnisse der Branche ihrer Meinung nach verbessern könnte. Das Ergebnis hat uns nicht sonderlich überrascht: Von den vier konkret vorgeschlagenen Maßnahmen, erhielt ein Gütesiegel für Forschungsmethoden, das von einem unabhängigen Industrieverband vergeben wird, die meiste Zustimmung (4/5). Und der deutsche Markt hat hier bereits gute Vorarbeit für den Rest von Europa geleistet. Bei Initiativen, wie beispielsweise der “Qualitätsinitiative für die Werbewirkungsforschung”, geht es nicht darum, jene Beteiligten hervorzuheben, die besonders vorbildlich forschen, sondern darum Transparenz und Gewährleistung für die Studienergebnisse zu schaffen, indem man alle wichtigen Projektparameter wie beispielsweise Stichprobengröße oder Beteiligung angibt.

Eine einfachere, nicht ganz so ressourcenintensive Methode zur Verbesserung der Qualitätswahrnehmung, ist die Bereitstellung eines detaillierten Methodenüberblicks bei jeder veröffentlichten Studie. 70 Prozent der Befragten würden dies bereits als eine wertvolle Verbesserung ansehen.

Die Finanzierungsquelle eines Forschungsprojektes darf kein Problem darstellen. Genau so wenig der Umstand, dass Unternehmen in Forschungsthemen investieren, die Teil ihres Kerngeschäfts sind: Dass Unternehmen einen Anreiz für die Investition in Forschung benötigen ist doch nur legitim. Der Fokus muss hier jedoch auf Transparenz und der Validierung von Ergebnissen liegen. Eine transparente Forschungsgemeinschaft ist vielleicht das stärkste Instrument, um die Vertrauensprobleme der Branche zu überwinden.

Zudem sind die Kosten, die Unternehmen dadurch entstehen, dass sie nicht in Verbesserungsmaßnahmen investieren, schätzungsweise deutlich höher, als die Kosten, die anfallen, wenn sie sich bewusst mit Qualitätssteigerungen auseinandersetzen.

* Noch eine Notiz am Rande: Wir sind uns der Ironie der Durchführung einer kommerziellen Studie über die Qualität der kommerziellen Forschung durchaus bewusst. „Ironie", denn im Gegensatz zur traditionellen Research-on-Research ist unsere Studie Forschungsobjekt und -gegenstand zugleich. Dies hat zu paradoxen Beobachtungen geführt, wie zum Beispiel: „Kann man diese Umfrage kritisieren, ohne ihre Aussage zu bestätigen?“

Sebasian Schindler ist Globasl Insight Lead bei Inskin Media.
Sebasian Schindler ist Globasl Insight Lead bei Inskin Media.
(Bild: Charlotte Steeples Photography)

Über den Autor

Sebastian Schindler ist Global Insights Lead bei Inskin Media. Dort hat er es sich zur Aufgabe gemacht, Werbetreibende und Agenturen voranzubringen, indem er branchenrelevante Studien zur Funktionsweise von digitalen Tools für Brands durchführt und veröffentlicht. Schindler stieß bereits 2015 zu Inskin Media und war zuvor zunächst als Analyst und später als Leiter der Marketingaktivitäten in N-EMEA beim führenden Audience Analytics-Unternehmen comScore beschäftigt.

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