Expertenbeitrag

Prof. Dr. Dirk Lippold

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Dozent, Autor, Guest Speaker, Dialog.Lippold

Die Marketing-Gleichung für B2B – Teil 6 Wie richtige B2B-Akquisition die Kundenakzeptanz optimiert

Autor / Redakteur: Prof. Dr. Dirk Lippold / Annika Lutz |

Im B2B-Sektor ist der persönliche Verkauf – also die Akquisition – hauptverantwortlich für den Markterfolg. Bei der (persönlichen) Akquisition geht es darum, die vorhandenen Kundenkontakte zu qualifizieren und in Aufträge umzumünzen.

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Der persönliche Verkauf spielt vor allem bei erklärungsbedürftigen Produkten und Leistungen eine wichtige Rolle.
Der persönliche Verkauf spielt vor allem bei erklärungsbedürftigen Produkten und Leistungen eine wichtige Rolle.
(Bild: gemeinfrei / CC0 )

Die Akquisition ist die fünfte Phase und damit das fünfte Aktionsfeld im Vermarktungsprozess (siehe Abbildung 1) und zielt auf die Optimierung der Kundenakzeptanz.

Abbildung 1: Akquisition als fünfte Phase des Marketing-Wertschöpfungsprozesses
Abbildung 1: Akquisition als fünfte Phase des Marketing-Wertschöpfungsprozesses
(Bild: Dirk Lippold)

Insbesondere bei erklärungsbedürftigen Produkten und Leistungen zählt der persönliche Verkauf zu den wirksamsten, aber zugleich auch zu den teuersten Marketinginstrumenten. Die Akquisition ist vielleicht das wichtigste Aktionsfeld nicht nur der Marketing-Gleichung sondern im B2B-Unternehmen insgesamt, da sie die Existenz des Unternehmens maßgeblich bestimmt. Die wesentliche Aufgabe des persönlichen Verkaufs besteht darin, den kundenseitig verlaufenden Auswahl- und Entscheidungsprozess so zu beeinflussen, dass letztlich der Auftrag gewonnen wird. Die Akquisition ist aber nicht nur wichtig für das Neugeschäft, sondern der bereits erbrachte Nachweis der Leistungsfähigkeit hat auch eine verkaufsauslösende Wirkung für das Folgegeschäft. Dieses so genannte Referenz-Selling ist damit ein aktiver Bestandteil des Aktionsfeldes Akquisition.

Im Rahmen des Aktionsfeldes Akquisition sollten Antworten auf folgende Fragen gefunden werden:

  • Wie läuft der organisationale Kaufprozess ab?
  • Wie kann der Akquisitionsprozess strukturiert werden?
  • Wie lässt sich die Effizienz des persönlichen Verkaufs steigern?
  • Für welche Marketing-Aktivitäten sollte dieses teure Instrument eingesetzt werden?
  • Wie lässt sich die Abschlussquote erhöhen?
  • Wie kann der Akquisitionszyklus verkürzt werden?

Ergänzendes zum Thema
Warum eine siebenteilige Serie über das B2B-Marketing?

Warum hat das Marketing im B2B-Sektor eigentlich so abgewirtschaftet und warum steht der Vertrieb so glänzend da? Warum ist der Vertriebsbereich regelmäßig im Vorstand oder in der Geschäftsführung vertreten und das Marketing nur ganz selten? Warum wird das Marketing eigentlich so stiefmütterlich behandelt? Ganz einfach, weil es das B2B-Marketing in den allermeisten Fällen nicht über den Status einer Werbeabteilung hinausgebracht hat!

Mit unserer siebenteiligen Serie über das B2B-Marketing wollen wir es aus dem Dornröschenschlaf erwecken und aufzeigen, wie das Marketing mit seiner Denkhaltung dem Unternehmen und sich selber nicht nur helfen, sondern auch entscheidende Impulse verleihen kann. Rückenwind und eine frische Perspektive gibt dabei die Anwendung der Marketing-Gleichung als zukunftsweisendes Denk- und Handlungskonzept.

Lange Akquisitionszyklen sind kennzeichnend für B2B

Der Akquisitionszyklus (englisch Sales Cycle) befasst sich mit den vertrieblichen Aktivitäten innerhalb eines Zeitraumes, der sich vom Erstkontakt mit einem Interessenten beziehungsweise Kunden bis zum Auftragseingang oder der Ablehnung eines Angebotes erstreckt. Besonderes Merkmal von stark erklärungs- und unterstützungsbedürftigen Produkten ist ein relativ langer Akquisitionszyklus. Neben Entscheidungstragweite und Risiko dürfte die Länge des Akquisitionszyklus von der Anzahl der am Entscheidungsprozess beteiligten Personen (beziehungsweise von der Größe des Buying Centers) abhängen. Im Geschäftskundenbereich und bei Systemprodukten kann der Sales Cycle durchaus mehrere Monate oder auch ein Jahr dauern. Die beiden Prozesse, die den Akquisitionszyklus bestimmen, sind der Leadmanagement-Prozess sowie der eigentliche Akquisitionsprozess, wobei die Grenze zwischen dem Leadmanagement und den nachfolgenden Sales-Prozessen, die zuweilen auch als Opportunity Management bezeichnet werden, nicht klar zu ziehen ist. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die verschiedenen Begrifflichkeiten und Prozesse im Vertriebsmanagement.

Abbildung 2: Begrifflichkeiten und Prozesse im Vertriebsmanagement
Abbildung 2: Begrifflichkeiten und Prozesse im Vertriebsmanagement
(Bild: Dirk Lippold)

Leadmanagement

In Anlehnung an das englische Wort „Lead“, das für Hinweis oder Anhaltspunkt steht, wird die systematische Kundenidentifizierung und -verfolgung als Leadmanagement bezeichnet. Dabei ist das Leadmanagement nicht auf Interessenten beziehungsweise Neukunden beschränkt, denn auch bei bestehenden Kunden können sich neue Geschäftspotenziale ergeben. Leadmanagement ist die Generierung, Qualifizierung und Priorisierung von Interessenbekundungen der Kunden mit dem Ziel, dem Sales werthaltige Kontakte bereitzustellen.

Abbildung 3: ABC-Analyse bestehender Kontakte im B2B-Bereich (Beispiel)
Abbildung 3: ABC-Analyse bestehender Kontakte im B2B-Bereich (Beispiel)
(Bild: Dirk Lippold)

ABC-Analyse zur Lead-Qualifizierung

Eine gute Möglichkeit für eine Qualifizierung von Kontakten ist die ABC-Analyse, die in Abbildung 3 dargestellt ist. In dem Beispiel dienen der Status des Akquisitionsprozesses, das voraussichtliche Datum der Auftragserteilung und die Einschätzung der eigenen Chancen als Kriterien und damit als Schwellen für die jeweilige Bewertung und Einstufung der Kontakte. Die im Marketing generierten und im Vertrieb qualifizierten Kontakte müssen nun in den Sales Prozessen weiterbearbeitet werden. Dazu ist es erforderlich, die Leads an diejenigen Vertriebsmitarbeiter weiterzuleiten, die diese bearbeiten sollen (Lead Transfer).

Pipeline Performance Management

Sales Prozesse gliedern sich in das Opportunity Management sowie das Angebots- und Auftragsmanagement. Beim Opportunity Management geht es darum, die Leads zeitnah in Abschlüsse umzumünzen. Nimmt der Vertrieb beispielsweise zu spät mit den Interessenten Kontakt auf, kann sich die sogenannte Konversionsrate (englisch Conversion rate), das heißt die Quote der Geschäftsabschlüsse im Vergleich zu allen Leads, deutlich verschlechtern. Daher haben stark vertriebsorientierte Unternehmen elektronische Eskalationssysteme für Fristüberschreitungen installiert. Das Opportunity Management unterstützt die Vertriebsmitarbeiter durch Analysen zum Status einer Opportunity, der jederzeit abgefragt werden kann, um einen aktuellen Gesamtüberblick über bestehende Verkaufschancen (Abschlusswahrscheinlichkeiten, erwartetes Abschlussvolumen und -datum) zu erhalten. Heutzutage übernehmen moderne Customer Relationship Management-Systeme (CRM-Systeme wie zum Beispiel ORACLE SIEBEL, SAP CRM, Salesforce) die Analyse und Verfolgung bestehender Kontakte. Dabei erfolgt die Verwaltung und Dokumentation von Geschäften in Anbahnung nach den einzelnen Stufen (englisch Stages) des Sales Cycle. Auf diese Weise ist es möglich, Vertriebsanalysen, Auftragswahrscheinlichkeiten und Erfolgsquotenmessungen je Kontaktstufe vorzunehmen. Ein so eingerichtetes Pipeline Performance Management erlaubt überdies periodenspezifische Vertriebsprognosen anhand der Bewertung der ungewichteten oder gewichteten Vertriebspipeline auf jeder Kontaktstufe.

Vertriebstrichter oder Vertriebsfilter?

Abbildung 4: Beispiel für einen Sales Funnel
Abbildung 4: Beispiel für einen Sales Funnel
(Bild: Dirk Lippold)

In Abbildung 4 ist der Sales Cycle auf der Grundlage von sieben Kontaktstufen beispielhaft dargestellt. Der Sales Cycle hat die Form eines „Vertriebstrichters“ (englisch Sales Funnel). Während in Stufe (Stage) 1 sämtliche Kontakte als Leads des Unternehmens erfasst sind, verdünnt sich der Trichter stufenweise bis zur Stufe 7, in der nur noch jene Kontakte enthalten sind, die eine hohe Auftragswahrscheinlichkeit besitzen und bei denen die Akquisition prinzipiell abgeschlossen ist. Es hat sich dabei durchgesetzt, die einzelnen Kontaktstufen eines Sales Cycle in Form eines „Vertriebstrichters“ (englisch Sales Funnel) abzubilden. Allerdings ist diese Bezeichnung verwirrend, denn bei einem Trichter kommt alles, was man oben in ihn hineingegeben hat, auch unten wieder heraus. Das ist beim Akquisitionsprozess ganz anders, denn auf jeder Kontaktstufe werden Kontakte, die nicht weiterverfolgt werden sollen, herausgefiltert. Daher wäre „Vertriebsfilter“ die treffendere Bezeichnung.

Das Akquisitionsgespräch

Der wichtigste Teil des Aktionsfeldes „Akquisition“ ist das Akquisitionsgespräch. Im Rahmen eines strukturierten Verkaufsgesprächs werden dabei folgende sechs Phasen durchlaufen:

  • Gesprächsvorbereitung
  • Gesprächseröffnung
  • Bedarfsanalyse
  • Nutzenargumentation
  • Einwandbehandlung
  • Gesprächsabschluss

Wesentlich ist, dass diese Phasen nicht zwingend in obiger Reihenfolge durchlaufen werden müssen. Auch kann es sein, dass die eine oder andere Phase übersprungen werden kann. So wird ein Abschlussgespräch andere Schwerpunkte bei den Gesprächsphasen legen als ein Kontaktgespräch oder ein Informationsgespräch.

Akquisitionscontrolling und KPIs im Vertrieb

Abbildung 5: Tätigkeiten eines Vertriebsbeauftragten im Software- und Beratungsbereich
Abbildung 5: Tätigkeiten eines Vertriebsbeauftragten im Software- und Beratungsbereich
(Bild: Dirk Lippold)

Das Akquisitionscontrolling sollte im Akquisitionszyklus eine ganz besondere Bedeutung haben, denn die persönliche Akquisition und damit der direkte Vertriebsweg ist zweifellos der bedeutendste Kostenfaktor im Vermarktungsprozess von B2B-Produkten und -Leistungen. Jede Stunde, die der Vertriebsmitarbeiter mit vertrieblich unproduktiven Tätigkeiten verbringt, fehlt für die qualifizierte Vertriebsarbeit. Abbildung 5 zeigt als Beispiel die Ergebnisse einer Untersuchung, die ein führendes Software- und Beratungsunternehmen durchgeführt hat und zum Anlass nahm, seine Vertriebsorganisation grundlegend neu zu formieren.

Abbildung 6: Vier Fragen zur Überprüfung der Ernsthaftigkeit eines Akquisitionskontaktes
Abbildung 6: Vier Fragen zur Überprüfung der Ernsthaftigkeit eines Akquisitionskontaktes
(Bild: Dirk Lippold)

Um die oben angesprochenen „Luftnummern“ rechtzeitig zu erkennen, bietet es sich an, bereits direkt im Verkaufsgespräch oder im Vertriebsaudit Akquisitionsschwellen zu setzen. Mögliche Fragen in diesem Zusammenhang sind in Abbildung 6 aufgeführt.

Abbildung 7: Ausgewählte Akquisitionskennzahlen
Abbildung 7: Ausgewählte Akquisitionskennzahlen
(Bild: Dirk Lippold)

Für den Vertriebsbereich bietet sich eine ganze Reihe wichtiger Kennzahlen (englisch Key Performance Indicators – KPIs) als Steuergrößen beziehungsweise verdichtete Informationen über quantifizierbare Tatbestände im Akquisitionsprozess an. Allerdings gibt es nicht die „besten Kennzahlen“ oder das „beste Kennzahlensystem“ – zu unterschiedlich sind Ziele und Strategien einzelner Unternehmen und Branchen. Abbildung 7 zeigt eine Auswahl.

* Erfahren Sie im siebten Teil der „Marketing-Gleichung“, wie richtige B2B-Betreuung Kundenzufriedenheit optimiert. Dieser erscheint am 16.01.2019 auf marconomy.de.

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