Markenbildung B2B-Unternehmen als Marken und Trendsetter

Autor / Redakteur: Bernd Lynen* / Julia Krause

Nicht hinterherrennen, sondern vorweg: Was im B2C-Bereich längst angekommen ist, erobert auch die Geschäfte zwischen Unternehmen. Wie B2B es schafft, seine Markenwahrnehmung zu stärken und wieso dies unternehmenskritisch ist.

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Nicht hinterherrennen, sondern vorweg: Was im B2C-Bereich längst angekommen ist, erobert auch die B2B-Branche.
Nicht hinterherrennen, sondern vorweg: Was im B2C-Bereich längst angekommen ist, erobert auch die B2B-Branche.
(Bild: gemeinfrei / Unsplash)

Produkte haben einen begrenzten Lebenszyklus, Marken überdauern. Besonders Industrieunternehmen dürften diese Erfahrung bereits gemacht haben – zumindest, was den ersten Teil angeht. Sei es durch die Weiterentwicklung von Werkstoffen, neue Anforderungen der Kunden oder auch gesetzliche Änderungen: Was gestern noch gut funktionierte, kann morgen bereits obsolet sein. Genau aus diesem Grund ist die Stärkung des Unternehmens als Marke ein kritischer Erfolgsfaktor.

Aus dem privaten Bereich als Konsumenten kennen wir alle solche Marken. Der Tech-Konzern Apple entwickelte sich von einem Nischenprodukt zu einem Lifestyle-Trend. Der Energy Drink Redbull ist inzwischen zu einem Medien- und Eventunternehmen geworden, das für Lebensfreude steht und für verrückte Einfälle à la „mit selbstgebauten, kuriosen Fluggeräten in Gewässer stürzen“. Die eigentlichen Produkte sind dabei nach wie vor wichtig, allerdings heben die Markenstrategien die Unternehmen von Wettbewerbern ab, eröffnen konstant neue Geschäftsbereiche und sorgen für eine wesentlich stärkere Bindung zu den Kunden, die über Produktlebenszyklen weit hinaus geht. Der Autor des Buchs „Uprising“ und Gründer der Agentur StrawberryFrog, Scott Goodson, formuliert es sehr treffend: „No branding, no differentiation. No differentiation, no long-term profitability.“ Frei übersetzt also: Wer aus seinem Unternehmen keine Marke macht, unterscheidet sich nicht von anderen und wird langfristig nicht profitabel bleiben. Diese Weisheit gilt ebenso für den B2B-Bereich, da die Kunden ihre Einkaufserlebnisse im Privaten auch immer stärker im geschäftlichen Kontext suchen und schätzen.

In schnellen Schritten zum Markenkern

Um dieses Kunststück zu vollbringen, sind einige Schritte notwendig. Als erstes müssen sich die Verantwortlichen darüber klar werden, was ihr Unternehmen im Kern ausmacht. Welchen gesellschaftlichen Nutzen erfüllen sie und inwiefern unterstützen sie Kunden bei der Erreichung ihrer Ziele und ihrer Bedürfnisse? Um beim Eingangsbeispiel zu bleiben: RedBull verkauft nicht nur ein Getränk, RedBull verleiht Flügel – im übertragenen Sinne durch Kooperationen mit Sportlern und Kunstwettbewerbe wie auch ganz wirklich durch Flugshows. Das gleiche Prinzip lässt sich auch für B2B-Unternehmen anwenden. Der Weltmarktführer für die Entwicklung und Fertigung von Kosmetikstiften, Schwan Cosmetics, beliefert rund 700 Unternehmen weltweit und schreibt sich den Claim „Tomorrow’s Beauty. Now.“ auf die Fahne. Sie setzen sich für nachhaltige Innovationen in der Kosmetikbranche ein und kommunizieren sich als Partner, Visionäre und Designer.

Den Worten Taten folgen lassen

Nach diesem ersten Schritt geht es weiter. Nun zeigt sich, wer neben einem Talent für öffentlichkeitswirksame Formulierungen auch mit Substanz dienen kann. Schwan Cosmetics ließ seinen Worten Taten folgen, indem sie ihr gesamtes Farbportfolio digitalisierten. Früher suchte eine Mitarbeiterin im Rahmen der Farbbemusterung aus 12.000 verschiedenen Farben mögliche Varianten aus und sendete Musterstifte an die Kunden per Post. Bis die finale Entscheidung fiel, konnte sich dieser Prozess mehrfach wiederholen.

Das hatte klare Nachteile: Die Kunden haben immer nur einen kleinen Ausschnitt der tatsächlich möglichen Farben gesehen und der Findungsprozess war langwierig. Um ihrem Claim gerecht zu werden, änderte Schwan Cosmetics das Prozedere und ließ den Color Visualizer auf Basis der SAP Cloud implementieren. Damit lassen sich in Sekundenschnelle tausende von Farben aus dem Portfolio finden und vergleichen. Die Kunden können sogar eigene Bilder hochladen und die Applikation schlägt ihnen ähnliche Farben aus der Datenbank vor. Filterfunktionen wie nach Einsatzbereich, sei es Mund oder Auge, ermöglichen eine schnelle und zielgerichtete Auswahl. Durch diese Anwendung macht Schwan Cosmetics den Farbbemusterungsprozess für ihre Kunden zu einem ähnlich attraktiven Erlebnis, wie es emotionale Consumer-Marken bereits tun. Es wird seinen eigenen Anforderungen an Innovation gerecht und überträgt diese auf die Kunden. Was dabei ein ebenso wichtiger Schritt ist: Die Personalisierung.

Individualität spricht Kunden an

In der Industrie sprechen wir oft von der Losgröße 1, der Möglichkeit enorm geringe Stückzahlen, bis hinunter auf ein einzelnes Produkt, herstellen zu können. Die Forderung danach wird immer lauter, da Kunden vermehrt keine einheitliche Massenware, sondern Einzelstücke möchten, sie bevorzugen Besonderheiten. Sie erwarten eine persönliche Betreuung, individuelle Beratung und ein einzigartiges Produkt – nur für sie. Der Vorteil am digitalen Zeitalter ist, dass diese Wünsche erreichbar sind. Sei es mit einer individuellen Farbauswahl bei Kosmetikstiften, der Custom-Ausstattung in Autos oder auch Software mit individuellen Features und offenen Schnittstellen für die Einbindung von Drittanbietern ganz nach Gusto. Wer als Marke wahrgenommen werden möchte, lässt den Kunden möglichst viel individuellen Spiel- und Experimentierraum, ohne dabei ein partnerschaftliches Verhältnis außer Acht zu lassen.

Wenn diese Voraussetzungen erst einmal erfüllt sind, können Unternehmen über den nächsten Schritt nachdenken: Das Marketing. Auch hier spielen findigen B2B-Unternehmen digitale Tools in die Hände. Längst sind die Zeiten von standardisierten Newslettern und grafisch lieblosen Printanzeigen vorbei. Es darf ruhig interessanter werden und Unternehmen sollten sich von der Idee verabschieden, das B2B-Marketing automatisch ein wenig langweilig sein muss, um seriös zu wirken. Auf Basis der Kundendaten lassen sich Kampagnen kreieren, die die verschiedenen Kunden und Unternehmen kontextbezogen abholen und sie nicht mit irrelevanten Inhalten unnötig stören.

Der Streamingdienst Spotify spielt entsprechend der Stimmung und des Musikgeschmacks relevante Anzeigen an die Hörer aus. Wer also die „Yoga“-Playlist hört, erhält eher Werbung für einen Achtsamtkeits-Kalender und weniger für ein Motocross-Rennen. Auch spannende Kooperationen können das Marketing befeuern. Im Falle Spotifys wäre dies der Fahrdienst Uber. Kaum steigt man in ein Auto ein, aktiviert sich dort die eigene Playlist. Ein persönlicher Service, der Kunden gut in Erinnerung bleibt. Wer bei diesen Beispielen den Bezug zu B2B vermisst, sollte sich nicht beirren lassen: Hinter jedem Unternehmenskunden sitzt auch ein Mensch. Dieser empfindet die gleichen Emotionen, wie ein Endkunde. Stellen Sie sich bei jeder Aktivität ganz einfach vor: Was würde mich freuen? Wo informiere ich mich am ehesten über geschäftlich relevante Entwicklungen und Trends? Worauf würde ich anspringen und welche Maßnahmen, die wir aktuell umsetzen, langweilen mich eher, da es 100 andere Unternehmen ganz genauso machen und es mir keinerlei Mehrwert bietet?

Wenn Sie diese Fragen beantworten und die genannten Tipps für sich umsetzen können, sind Sie auf dem besten Weg aus Ihrem Unternehmen eine echte Marke zu machen. Sie werden sich abheben, neue Umsatzpotentiale entdecken und vor allem werden Sie überdauern.

* Bernd Lynen ist Head of Sales Excellence Digital Marketing bei T-Systems Multimedia Solutions.

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