China Market Insider Chinas WeChat schafft dank Corona den Sprung ins Büro
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WeChat Work ist dank der Corona-Krise zu Chinas neuestem Online-Kanal für B2B-Marketing avanciert. Die professionelle Partner-App von „WeChat“ konnte allein in der Woche über das chinesische Frühlingsfest im Februar die Zahl seiner Downloads um über 70 Prozent steigern, berichteten chinesische Medien.

Im Februar dieses Jahres, als die Coronavirus-Krise in China landesweit ihren Höhepunkt erreichte, waren weit über eine Milliarde Chinesen von regional mehr oder weniger strengen Ausgangssperren oder Lockdowns betroffen. Eine große Zahl von ihnen, etwa 200 Millionen Menschen, arbeiteten während dieser Zeit von daheim, also „im Homeoffice“, schätzte die Plattform Dingtalk, ein Konkurrent des WeChat-Betreibers Tencent. Mehr als zehn Millionen chinesische Firmen mussten plötzlich ohne Vorbereitung ihre Geschäfte von den Wohnungen ihrer Angestellten aus abwickeln.
WeChat Work nutzt den „Heimvorteil“
Während dieser Zeit sind die üblichen Grenzen zwischen privater und geschäftlicher Kommunikation in China weiter verschwommen. Davon konnten WeChat Work und eine Reihe von Wettbewerbern ersten Marktanalysen zufolge massiv profitieren. WeChat Work, das sich vor der Corona-Krise nicht wirklich im geschäftlichen Umfeld hatte durchsetzen können, hat die Zahl seiner monatlich aktiven Nutzer nun innerhalb weniger Wochen auf 60 Millionen steigern können. Diese Zahl ist zwar noch bescheiden im Vergleich zu den 1,1 Milliarden aktiven Nutzern für die Super-App WeChat, die in China im privaten Umfeld absolut dominiert, jedoch steigt die Zahl weiterhin an. WeChate wird häufig als „Schweizer Messer“ unter den Kommunikations-Apps in China bezeichnet, weil sie Funktionen, wie die von Whatsapp, Facebook, Skype, Zoom und Apple Pay, in einer einzigen, auf fast jedem chinesischen Smartphone aktiv genutzten App, vereinigt.
Vor Corona hatte WeChat zwar die private Kommunikation der Chinesen fest im Griff. Für das geschäftliche Versenden von Dateien, für Video-Konferenzen oder Live Streaming für B2B-Marketing wurden jedoch überwiegend andere Anbieter genutzt. Nun holt WeChat Work auf, und konnte dank des Milliardenpublikums von WeChat nun einen deutlichen „Heimvorteil“ ausspielen.
Verkürzte Einlernphase
Marketing-Mitarbeiter, die ohnehin an WeChat gewohnt sind, konnten mit WeChat Work aus dem Homeoffice direkt an die Arbeit gehen. Ein Beispiel ist die Guangdong Haid Group, ein Hersteller von Tierfutter für professionelle Züchter, die in der Krise WeChat Work für sein B2B-Marketing entdeckt hat. „Mit WeChat Work konnten die Angestellten der Firma wie gewohnt mit Bauern und anderen Kunden kommunizieren und ihre Tierfutter-Produkte vermarkten”, schreibt das chinesische Online-Portal Zhihu.
Die Firma nutzte WeChat Work einerseits für seine Marketing-Abteilung, um professionelle Angebote und Content an ihren Kundenstamm von 1,3 Millionen Landwirtschaftsbetrieben zu verteilen. Zusätzlich schulte sie innerhalb kürzester Zeit ihre 7.000 Verkäufer auf WeChat Work, um ihre Produkte online zu verkaufen.
Vorteile von WeChat Work
Was WeChat Work jedoch für Marketing-Profis besonders interessant macht, sind die durchlässigen Schnittstellen von offiziellen Firmenkonten in der App zu den 1,1 Milliarden privaten WeChat-Nutzern in China. Mehr als zweieinhalb Millionen chinesische Firmen hatten schon bis zum Jahresende 2019 WeChat Work für ihre internen Workflows eingesetzt, darunter, Angaben des Online-Mediums Iyiou zufolge, 80 Prozent der 500 führenden Marken in China.
Doch erst im Laufe der vergangenen Monate ist WeChat-Work durch die Einführung neuer Funktionen von einem internen Kommunikations-Tool für Videokonferenzen und das Organisieren von Dokumenten zu einem für das Marketing relevanten Werkzeug avanciert.
„Erst wenn unsere App außerhalb der eigenen Firma eingesetzt wird, generiert sie echten Mehrwert,” zitierte Iyiou den WeChat-Gründer Allen Zhang. Durch das neue Konzept werde jeder Angestellte zu einem „Fenster für den Service der Firmen“, so Zhang. Jeder Angestellte werde zu einem Multiplikator für das Content-Marketing seiner Firma im Kreis seiner privaten WeChat-Kontakte.
Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen WeChat Work und WeChat ist, dass die Marketing-Nutzer ihre WeChat-Kontakte direkt dem neuen Firmenkonto hinzufügen können. Über WeChat können nur Menschen erreicht werden, die sich aus freien Stücken selbst beim offiziellen WeChat-Konto einer Firma angemeldet hatten. Vereinfachend gesagt erlaubt WeChat Work nun Push-Marketing im großen Stil, während das traditionelle WeChat selbst überwiegend für Pull-Marketing steht.
Auch ist die Obergrenze für Kontakte von 5.000 bei WeChat auf 50.000 bei WeChat Work angehoben worden. Eine Reihe von nützlichen Funktionen erleichtert das Segmentieren von Kontakten in getrennte Zielgruppen und das Versenden von Content, der auf diese Zielgruppen zugeschnitten ist.
Marketing und Vertrieb verschmelzen
Das Verschmelzen oder die „Konvergenz“ von traditionellen Marketing-, PR- und E-Commerce-Funktionen, das in China schon seit Jahren ein wichtiger Trend ist, hat sich in der Folge der Corona-Krise noch einmal deutlich beschleunigt. Nicht nur die Grenzen zwischen privatem Kommunizieren in den sozialen Medien und geschäftlicher Kommunikation haben sich in den vergangenen Wochen weiter verringert, sondern auch die Grenzen zwischen Marketing und Vertrieb.
Obwohl auch ohne Virus-Ausbrüche alle paar Monate neue Kanäle für das B2B- und B2C-Marketing in China geboren werden, ist das Tempo der von der Krise ausgelösten Veränderung im Geschäftsleben der Chinesen dennoch atemberaubend. Neun von zehn der am häufigsten heruntergeladenen Apps für geschäftliche Anwendungen fielen einer Analyse von Sike, einem Think Tank der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, zufolge während der Corona-Krise auf Apps in den Bereichen Remote Work und virtuelle Meetings.
Das von der Alibaba-Gruppe des legendären Gründers Jack Ma entwickelte Dingtalk führt mit derzeit mehr als 200 Millionen aktiven Nutzern im Monat, gefolgt von Tencent Meeting, WeChat Work und Zoom.
*Henrik Bork ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.
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