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Die Kaufreise des Kunden verstehen

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Wie man eine Customer Journey visualisiert

Folgt man der Kundenlogik, erwächst jede Kundenbeziehung aus einer zeitlichen Abfolge von Interaktionen, die sich von einem Punkt in der Vergangenheit in eine gemeinsame Zukunft bewegt. Deshalb ist eine lineare Darstellung die bessere Wahl. Die relativ beliebten 360-Grad-Modelle gaukeln den Unternehmen eine vollständige und in sich abgerundete Betrachtung der Kundenbeziehungen vor, die es in Wirklichkeit niemals gibt. So hat sich die Methode des „Touchpoint Journey Mapping“ als besonders hilfreich erwiesen. Dabei wird die Kundenreise in Form einer Reiseroute gezeichnet.

Eine typische Kundenreise kann zum Beispiel aus folgenden Hauptstationen bestehen: Onlinerecherche – Vorauswahl – Kontaktaufnahme – Beratungsgespräch – Vertragsabschluss – Rechnungsempfang – Bezahlung – Empfang der Ware – Nutzung der Ware – (Reklamation) – (Wiederkauf) – (Weiterempfehlung) – (Absprung). Wie dies optisch aussehen kann? Fragen Sie mal Suchmaschinen, es gibt eine Menge passender Grafiken hierzu.

Mögen die Hauptstationen bei jeder Kundenreise auch annähernd die gleichen sein, so ist im Detail der Weg vom Interessenten bis zum potenziellen Markenbotschafter bei den einzelnen Kunden verschieden. Und natürlich geht der gleiche Kunde je nach Lust und Laune unterschiedliche Wege.

Zudem können einzelne Obertouchpoints wie etwa ein Beratungsgespräch in Untertouchpoints aufgesplittet werden. Oder man stellt die unterschiedlichen Reiserouten verschiedener Personas, das sind prototypische Kundenvertreter, dar. Oder man legt die Reiserouten vieler Kunden übereinander, um die Schlüssel-Touchpoints sichtbar zu machen. Bei Fressnapf, einem Anbieter für den Bedarf tierischer Mitbewohner, wurde sogar eine Welpen-Journey entwickelt.

Die Customer Journey in fünf Phasen

Im Touchpoint Management beginnt und endet der Kaufkreislauf eines Kunden mit WOM, also Word of Mouth, das sind Mundpropaganda und Weiterempfehlungen. Übliche Kaufmodelle wie der Buying Cycle oder der Sales Funnel tun dies nicht. Doch uns interessiert ausschließlich, wie ein Kunde tatsächlich agiert. Aus seiner Sicht betrachtet sind die wesentlichen Stationen einer prototypischen Kaufreise diese:

  • Recherchephase: Immer mehr anschaffungswillige Kunden steuern zunächst die webbasierten O-Töne Dritter an. Google nennt sie die „Zero Moments of Truth“ (ZMOT). Hierbei greifen Interessenten auf durchschnittlich zehn Webinhalte zu, bevor sie eine Entscheidung treffen. Je nach Branche fallen so bereits weit über 50 Prozent aller Kaufvorentscheidungen im Web. Im B2B sind es sogar bis zu 90 Prozent, weil inzwischen nahezu die komplette Vorrecherche online passiert. Das bedeutet: Ohne es zu merken, verlieren schlechte Anbieter die meisten potenziellen Kunden alleine durch das Internet.
  • Presales-Phase: Erst jetzt kommt der Anbieter aktiv ins Spiel. Durch ein Beratungsgespräch oder die Begleitung beim Gang durch den Webshop bereitet er das Kauf-Ja des Kunden vor. Doch kommt die Entscheidung durch eine Weiterempfehlung zustande, ist der Anbieter bis zum Moment des Kaufs oft nicht einmal involviert. Außerdem zu beachten: Beim Kundengewinnen wird sehr viel Geld verbrannt, erst nach dem Kauf-Ja wird am Kunden verdient.
  • Das Kauf-Ja: Aus Sicht des Kunden ist dies ein mehr oder weniger großer Moment, denn er entscheidet darüber, wie seine Zukunft verläuft. Zudem muss er sich von Geldmitteln trennen, was im Schmerzzentrum des Gehirns verarbeitet wird. Im Moment des Kauf-Jas sollte also so viel Positives wie möglich passieren, um Unsicherheit oder Kaufreue zu minimieren.
  • Loyalty-Phase: Sie soll stabile, dauerhafte Kundenbeziehungen aufbauen, den Kunden zum Fan machen und Wiederkäufe initiieren. Genau hier werden nach wie vor die meisten Fehler begangen. Am Service wird kräftig gespart, wohingegen Neukunden jede Menge Goodies erhalten. Während man also vorne kostenintensiv baggert, laufen einem hinten die vernachlässigten Bestandskunden davon – gnadenlos, und so schnell wie niemals zuvor. Obendrein machen sie schlechte Mundpropaganda und vertreiben so gutes Geschäft. Wer also treue Kunden will, muss Kundentreue belohnen.
  • Influencer-Phase: Nicht Werbegeplärre und Preisschleuderei, sondern begeisterte Kunden, die als Influencer missionarisch agieren, sorgen für das beste Neugeschäft. Man muss seine Kunden also bis zum Empfehler weiterentwickeln. Genau deshalb rede ich von einer Obsession für Kundenbelange. Denn man muss empfehlenswert sein, um empfohlen zu werden. Zudem müssen eigene Inhalte (Content) sowohl inhaltlich als auch funktional so aufbereitet werden, dass sie „shareable“ sind. Denn Teilen ist wertvoller als Liken.

Ergänzendes zum Thema
Was sind eigentlich Touchpoints?

Touchpoints entstehen überall da, wo ein (potenzieller) Kunde mit einem Unternehmen und seinen Mitarbeitern beziehungsweise seinen Produkten, Dienstleistungen und Marken in Berührung kommt, sei es vor, während oder nach einer Transaktion. Sie sind immer dort, wo die Kunden einem begegnen: im Zickzack zwischen realer und virtueller Welt, „social“ und „mobile“ vernetzt. Und in den „Momenten der Wahrheit“ entscheidet sich dann, was die Versprechen eines Anbieters tatsächlich taugen.

Human Touchpoints sind oft erfolgsentscheidend

Speziell bei Dienstleistern kann das Gesamt der Touchpoints wie folgt unterteilt und gegliedert werden, um die einzelne Facetten aus Kundensicht in den Fokus zu rücken:

  • Human Touchpoints
  • Process Touchpoints
  • Product Touchpoints
  • Document Touchpoints
  • Location Touchpoints

Betrachten wir zum Beispiel ein Hotel, dann sind die Mitarbeiter, mit denen man an vielen Punkten in Berührung kommt, die Human Touchpoints. Prozesse wie der Ein- oder Auscheckvorgang sind Process Touchpoints. Die Zimmerausstattung ist ein Produkt Touchpoint. Das Informationsmaterial auf dem Zimmer oder die Speisekarte sind Document Touchpoints. Und der Parkplatz oder die Wellnesszone sind LocationTouchpoints.

Meist spielt der Human Touch die entscheidende Rolle. So kann es passieren, dass ein Kunde seiner Automarke treu verbunden bleibt, jedoch den angestammten Händler verlässt, weil sein langjähriger Betreuer in ein anderes Autohaus wechselt. Und weiter kann es passieren, dass die Loyalität, die der Verkäufer mühevoll aufgebaut hat, in wenigen Augenblicken durch einen miserablen Kundendienst vernichtet wird.

Im Gegensatz zu selbstfokussierten Servicelevels, die die Abläufe in erster Linie für das Unternehmen bequem machen sollen, fragt man im Touchpoint-Management so: „Wie wünscht sich der Kunde unsere Prozesse?“ Und so: „Wie können wir sicherstellen, dass seine Erfahrungen mit uns positiv sind?“ Damit dann die Beschäftigten in herausragender Weise agieren, braucht es drei Komponenten: das Können, das Wollen und das Dürfen. Dabei ist meist nicht das Können oder das Wollen, sondern das Dürfen der wahre Knackpunkt.

Denn eingezwängt in ein Korsett aus Regeln, Standards und Normen ist es den Mitarbeitern - selbst wenn sie es wollten - oft einfach nicht möglich, Probleme unkompliziert und kundenfreundlich zu lösen. Noch schlimmer als ein lustloser ist aus Kundensicht aber ein machtloser Ansprechpartner. Die Spielfelder, in denen Mitarbeiter eigenverantwortlich handeln dürfen, müssen demnach vergrößert werden. Dazu ist ein beziehungsorientierter Ansatz elementar. Echte zwischenmenschliche Interaktionen – und nicht prozessorientiert abzuwickelnde Transaktionen – sind hierbei gefragt.

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