Twitter Twitter goes (not) Musk – Was bedeutet das für Marketing-Verantwortliche?

Ein Gastbeitrag von Lucas Florian*

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Was hat Elon Musk vor? Wird er Twitter übernehmen und wenn ja, wann? Wie verändert der Kauf das Nutzerverhalten, die Plattform selbst und die Kommunikationsbranche generell? Ein Blick in die Glaskugel hilft, das mögliche “New-Twitter” zu verstehen.

Elon Musk will Twitter wohl bald übernehmen. Was bedeutet das für die Kommunikationsstrategien von B2B Marketern?
Elon Musk will Twitter wohl bald übernehmen. Was bedeutet das für die Kommunikationsstrategien von B2B Marketern?
(Bild: gemeinfrei / Unsplash)

Nein, es war kein Scherz, als Elon Musk Anfang April sein Interesse signalisierte, Twitter zu kaufen. Im Gegenteil, Twitter selbst verkündete in seinen Ergebnissen für das erste Quartal 2022 eine Übernahme durch den Tesla- und SpaceX-Unternehmer. Diese ist jedoch noch nicht zu 100 Prozent unter Dach und Fach. Denn wie es sich für Musk gehört, erregt der Unternehmer großes Aufsehen um den Deal. Nun nach einigem Hin und Her tritt Musk doch vom Twitter-Kauf zurück. Das will Twitter nicht hinnehmen. Die Anwälte von Musk begründeten den Rückzieher am Freitag mit angeblich unzureichenden Informationen zur Zahl der Fake-Accounts bei dem Kurznachrichtendienst. Twitter will aber nicht klein beigeben und sich für einen möglichen Rechtsstreit wapnen. Man gehe zuversichtlich in die Zukunft, dass sie den Deal doch noch durchboxen können, so der Nachrichtendienst.

Twitter in Kurzform

Kaum eine andere Plattform war in den letzten Monaten so oft in den Schlagzeilen wie Twitter. Dabei gehört der Mikroblogging-Dienst nicht unbedingt zu den meistgenutzten Plattformen in der Social Media-Landschaft: Mit rund 229 Millionen täglich aktiven Nutzern weltweit liegt Twitter beispielsweise weit hinter Facebook (1,96 Milliarden, Stand Q1 2022) und Instagram (wird auf circa 500 Millionen täglich aktive Nutzer geschätzt). Auch was das Wachstum betrifft, haben neuere Plattformen wie beispielsweise TikTok in der letzten Zeit sehr viel steilere Kurven vorweisen können. Die Versuche, das „Produkt Twitter“ weiterzuentwickeln, haben nur kurzzeitig für Aufsehen gesorgt (Twitter Spaces) oder mussten sogar nach Testphase wieder eingestampft werden (Der „Instagram Stories“-Klon Twitter Fleets)

Doch auch wenn Twitter derzeit weniger Hype erfährt als andere Plattformen, hat das soziale Netzwerk noch immer viel Relevanz bei den Meinungsführern unserer Gesellschaft. Politiker, Wissenschaftler und Journalisten sowie CEOs und weitere Top-Voices nutzen die Plattform täglich, um ihre Ansichten und Meinungen kundzutun. Doch neben der Elite der Meinungsführer nutzen vor allem auch „Trolle” und „Bots“ den Kurznachrichtendienst. Ironischerweise wird auch der Multimilliardär Musk, dessen eigene Tweets oft die Grenzen des Sagbaren ausloten, des Trollens beschuldigt.

Was reizt Musk an Twitter?

Ein kurzer Blick auf Elon Musks persönliche Twitter-Timeline zeigt nämlich sehr viel mehr Memes als die Unternehmensupdates rund um seine Enterprises Tesla, SpaceX und Co., die man erwarten würde. Mit seinen oft impulsiven Äußerungen und Tweets erzeugt Elon Musk mächtig Wirbel bei seinen fast 100 Millionen Followern und darüber hinaus – er nutzt Twitter vor allem als Instrument, damit die ganze Welt über ihn berichtet. Zwar relativiert Musk seine Aussagen im Nachhinein, aber erst, wenn der „Schaden“ bereits entstanden ist. So zeigen die Diskussionen und der Medienrummel um seine Twitter-Übernahme uns vor allem, wie erfolgreich er die Kommunikations-Klaviatur beherrscht.

So liegt dann auch die Vermutung nah, dass Musk Twitter als Reichweitenbringer für die vielen Marken unter seiner Ägide nutzen könnte. Eine sehr unorthodoxe Methode, Medienpräsenz zu erlangen, aber bei Musk nicht ausgeschlossen.

Dass Twitter in der Vergangenheit immer mehr Wert darauf gelegt hat, Hatespeech, Fake News und Verschwörungstheorien keinen öffentlichen Raum mehr zu geben und als eine der ersten Plattformen eigene Richtlinien dafür aufgestellt hat, ist für den „Meinungsfreiheit-Absolutisten“ Musk ein absolutes No-Go. Aus diesem Grund ist er auch gegen dauerhafte Kontosperren, wie die des ehemaligen US-Präsidenten Trump, und verfolgt einen minimalistischen Ansatz bei den Beschränkungen auf der Plattform, die wieder stärker mit dem US-Recht in Einklang gebracht werden.

Elon Musk’s Twitter-Verse

Eines ist sicher: Niemand kann sicher sagen, was Elon Musk mit der Übernahme von Twitter vorhat und wie sich die Plattform nun entwickeln wird. Elon Musk ist exzentrisch, aber er macht keine halben Sachen. Zumindest verspricht er gegen Bots, Betrüger und Trolls vorzugehen, was eine große Schwachstelle der Plattform ist, und möchte auch den Algorithmus für alle zugänglich machen. Würde Musk Twitters kürzlich angeschlagenen Kurs ändern, gesperrte Accounts und die Verbreitung von Fake News wieder zulassen, hätte dies zunächst in den USA weitaus größere Auswirkungen als in der EU. Dennoch gibt es auch hierzulande Diskussionen über Musks Vorstoß – und wütende User, die ihre Twitter-Konten als Folge gelöscht haben. Dennoch wäre ein Exodus weg von Twitter eher unwahrscheinlich. Communities ziehen nämlich so gut wie nie schlagartig um – es ist eher so, dass eine Plattform langsam „ausstirbt“, weil nichts los ist (studiVZ oder Google+ lassen grüßen). Bei Twitter dürfte zumindest kurzfristig eher das Gegenteil der Fall sein – die Plattform ist gerade medial so präsent wie schon lange nicht mehr. Und damit hat Elon Musk vor allem eins schon erreicht: (inaktive) Nutzer kehren wieder zurück und verstaubte Business-Accounts werden wieder auf Hochglanz gebracht.

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Business as usual oder alles komplett neu?

Elon Musk ist ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann. Twitter macht seit Jahren Verluste. Die Kernaussage in Elons „Letter to the Twitter Chair“ deutet an, wohin für ihn die Reise gehen wird: „Ich möchte das Potential ausschöpfen” heißt es dort. Die weltbekannte und – Analysten sind sich zu großen Teilen einig – unterbewertete Marke Twitter kann eine Skalierungs- und Monetarisierungsstrategie gut gebrauchen.

Den Börsengang von 2013 rückgängig zu machen ist eine Sache, aber um die Profitabilität wieder in den Vordergrund zu rücken, kann sich Elon Musk auf diverse Handlungsfelder fokussieren:

  • Advertising: Die Werbeplattform "Twitter Ads" könnte einer Generalüberholung unterzogen werden. Unternehmen und Werbetreibende auf der einen Seite und Creators auf der anderen Seite können dem Anzeigengeschäft neuen Wind verleihen.
  • Shortform Video Content: Im Rahmen ihrer jeweiligen Verjüngungsprogramme haben sich Facebook und Instagram stark auf „bewegte, virale Videoinhalte“ à la TikTok konzentriert – insbesondere die Instagram Reels waren äußerst erfolgreich. Es ist durchaus denkbar, dass auch Twitter auf diesen Zug aufspringen wird.
  • Live Audio: Das an Clubhouse angelehnte „Spaces“ könnte gepusht werden.
  • Edit-Button: Die Einführung einer EDIT-Funktion ist für Musk ein Quick-Win und wäre eine medienwirksame Erfolgsgeschichte. Seit Jahren fordert die Twitter-Community einen Edit-Button, um ältere Beiträge zu bearbeiten. Auch wenn dies schon seit geraumer Zeit in der Mache ist, könnte sich Elon Musks als erste Amtshandlung diese Lorbeeren umhängen.

Auf was sich Marketingteams nun bei Twitter einstellen können

Was bedeutet das jetzt konkret für Marketing- und Kommunikationsteams von Unternehmen und Agenturen? Unternehmen werden voraussichtlich ihre Kommunikationsstrategie und ihre Kanäle überdenken und Twitter wieder aktiver miteinbinden. Allerdings sollte hier auch ganz genau überlegt werden, wie die Plattform an zielführendsten eingesetzt werden kann. Der offene Raum für Diskussionen wird es Marken und CEOs ermöglichen, sich verstärkt mit der Zielgruppe auseinanderzusetzen und sich bei wichtigen Themen zu positionieren. Das Instrument Twitter kann gut in der Personal Branding Strategie von CEOs eingesetzt werden und eine neue Note hinzufügen. Im Gegensatz zu anderen Plattformen bietet Twitter einen offeneren und themenreicheren Rahmen für die Platzierung von Inhalten an. Während beispielsweise bei LinkedIn Themen abseits des beruflichen Kontextes oftmals kritisch betrachtet oder als zu persönlich und deplatziert angesehen werden, sind diese bei Twitter besser aufgehoben. Wichtig ist nur, dass Twitter nicht die Plattform ist, um reine Markenbotschaften zu platzieren. Das Ziel sind echte Interaktionen mit der Community. Auch für den Werbemarkt wird Twitter attraktiver, denn der mediale Fokus wird weiterhin die Reichweite und das Engagement pushen, womit auch neue Zielgruppen erreicht werden.

*Lucas Florian leitet die Digital Unit bei PIABO PR.

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