B2B-Vertrieb international Der B2B-Vertrieb im Jahr 2021 – was wir von anderen Ländern lernen können
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Der Vertrieb ist global! Und jeder Markt hat seine Eigenheiten. Was Vertriebsmitarbeiter wissen müssen, um im Ausland erfolgreich zu sein – und was sie von anderen Ländern lernen können, um der Konkurrenz weltweit einen Schritt voraus zu sein.

Längst machen deutsche Unternehmen einen (großen) Teil ihrer Umsätze auch im Ausland. Wie wichtig das Auslandsgeschäft für deutsche Mittelständler ist, zeigt ein Blick auf die Studie „KfW-Mittelstandspanel 2018“ der KfW-Bank: Bereits 2018 erwirtschafteten mittelständische Unternehmen über 595 Milliarden Euro im Ausland. Bei den auslandsaktiven KMUs belief sich der Anteil des internationalen Geschäfts auf fast 30 Prozent ihres gesamten Umsatzes.
Interkulturelle Kompetenz ist der Schlüssel, um auf diesen Märkten erfolgreich zu sein. Ansonsten erleben selbst Giganten wie Walmart ihr blaues Wunder. Unvergessen ist dessen erfolgloser Ausflug auf den deutschen Markt. Der Supermarkt-Riese preschte mit der Penetration-Pricing-Strategie auf die Bühne, also das Angebot von Waren weit unter den durchschnittlichen Preisen, um sich Marktanteile zu sichern. Außerdem übertrug der Konzern die typisch-angloamerikanische Sales-Kultur auf Deutschland und verlangte von seinen Mitarbeitern beispielsweise, dass sie an der Kasse die Kunden stets anlächelten. Das Ergebnis: Die Kampfpreise verärgerten die Konkurrenz und Walmart musste die Preise nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs wieder anheben. Außerdem waren die Kunden in Deutschland vom freundlichen Dauer-Grinsen der Mitarbeiter zunehmend genervt. Über die Zeit führten derartige kulturelle Missverständnisse zu immensen Verlusten und zum Rückzug Walmarts aus Deutschland.
Der Blick über den Sales-Tellerrand lehrt uns aber nicht nur das Handwerkszeug, um am betreffenden Markt zu bestehen. Es gibt uns die Gelegenheit, Techniken, Ideen und Konzepte auch in anderen Ländern zu testen und – vielleicht – erfolgreich zu implementieren.
Eine Reise durch Großbritannien, Nordeuropa, Brasilien und die USA offenbart sowohl Gemeinsamkeiten als auch grundlegende Unterschiede im Vertrieb.
Remote Selling schon längst etabliert: Großbritannien
Während das Homeoffice in Deutschland erst im Zuge der Pandemie in der Gesellschaft ankam, ist das Modell Remote Work in Großbritannien schon lange populär. Dementsprechend dezentral ist dort oft der Vertrieb. Deutsche Vertriebler können davon lernen. Denn langsam merken viele Unternehmen, dass das Homeoffice keine temporäre Maßnahme ist; sie müssen das Arbeiten aus den eigenen vier Wänden dementsprechend professionalisieren.
Zum Beispiel ist das eigene Gesicht elementar in Video-Calls. Andernfalls geht der so wichtige Faktor des menschlichen Berührungspunktes verloren. Außerdem begrüßen Briten kurzweilige Erstgespräche am Telefon. Hat der Kunde kein Vorwissen zum Produkt oder Service, sollte der Verkäufer von großen Reden Abstand halten und unterstützendes Informationsmaterial per E-Mail zur Verfügung stellen.
Britische Vertriebsteams arbeiten zudem grundsätzlich mit Anforderungslisten. Vor Gesprächen prüfen sie, welche Materialien und Dokumente für das Gespräch mit dem Gegenüber entscheidend sind und haben so im Zweifelsfall alles benötigte zur Hand. Solche Listen helfen den deutschen Vertriebsmitarbeitern, ihr ohnehin hohes Organisationslevel weiter zu verbessern.
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Digitale Vorreiter: Skandinavien und das Baltikum
Wo Deutschland noch an den Grundtugenden arbeitet, sind skandinavische und baltische Länder bereits weit fortgeschritten. Kaum ein Kontakt zwischen Staat und Bürger oder Unternehmen und Kunden muss noch analog stattfinden. Es überwiegen digitale Lösungen für schlankere Prozesse.
Dementsprechend hoch ist die Akzeptanz digitaler Abläufe in Schweden oder Estland. Das macht sich auch im Vertrieb bemerkbar. Skandinavische Vertriebler können ohne Probleme mit Online-Demonstrationen oder personalisierten Erklärvideos arbeiten. Mehr noch: Diese Form des virtuellen Austauschs erhält in den Nordics und dem Baltikum mitunter mehr Zuspruch als klassische Kundenbesuche oder die telefonische Kaltakquise. Zudem können deutsche Unternehmen in Skandinavien und Co. bedenkenlos auf die englische Sprache setzen. Sprich, ohne Probleme sämtliche Marketingmaterialien in Englisch halten.
Und genau das ist die Sprache, die auch in der Kommunikation innerhalb Deutschlands immer relevanter wird; gerade in den Ballungszentren, wie Berlin, Hamburg und Köln, mit einem großen Anteil internationaler Arbeitskräfte, ist es wichtig diese Sprache zu beherrschen. Hier schadet es nicht, sich ein paar Tricks und Kniffe aus dem digitalen Sales-Playbook der Nordics zu ziehen. Schließlich lassen sich an einem Tag mehr Zoom-Calls vereinbaren als klassische Kundentermine, inklusive Fahrten durch das halbe Land. So lässt sich der Vertrieb besser skalieren.
Social Selling im Ursprungsland von Facebook, Twitter und Co.: USA
Social Media Plattformen sind über alle Generationen hinweg beliebte Quellen für Informationen, Entertainment oder Inspirationen. Längst verschwimmen die Grenzen von analoger und digitaler Welt, gerade und vor allem im Marketing und Vertrieb eröffnen sich neue Möglichkeiten. Insbesondere die USA adaptieren dieses Prinzip des Social Sellings, also das Verkaufen über soziale Medien. Für 89 Prozent der amerikanischen Vertriebsmitarbeiter ist Social Media wichtig, um Verkaufsabschlüsse zu erzielen.
Eine aktuelle Studie des 1. Arbeitskreis Social Media in der B2B-Kommunikation belegt: Social Selling findet langsam auch in Deutschland statt! Mit einem Zuwachs von 9,1 Prozent im Vergleich zu 2019 steht LinkedIn an der Spitze der B2B-relevanten Plattformen, gefolgt von Facebook und Xing. Hier gibt es sicherlich spannende Anwendungsfälle der amerikanischen Kollegen, die auf die heimischen Anforderungen übertragen werden können.
Emotionalisierung und Visionen statt kalter, nüchterner Fakten: Frankreich
Anders als in Skandinavien und dem Baltikum fordern französische Vertriebsmitarbeiter in aller Regel Vertriebsmaterialien in Landessprache, insbesondere bei rechtlich relevanten Dokumenten wie Verträgen. Ansonsten ähnelt der Vertriebsprozess unserer Nachbarn dem unseren in vielerlei Hinsicht: Franzosen arbeiten äußerst strukturiert. Eine saubere Arbeitsweise und einwandfreie Organisation von Meetings sind Grundvoraussetzung.
Einen maßgeblichen Unterschied gibt es dann aber doch: wo der Deutsche mit seriöser Nüchternheit Produktfeatures und USPs erklärt, spielen französische Vertriebsmitarbeiter mit Visionen. Um einen bleibenden Eindruck beim Interessenten zu hinterlassen, denken sie weit in die Zukunft – und um die Ecke. Im Kundengespräch wird beispielsweise erläutert, wie das angebotene Produkt langfristig das Wachstum beim Kunden vorantreibt und welche 5-Jahres-Pläne man in der eigenen Produktentwicklung umsetzen will.
Follow-up per WhatsApp: Brasilien
Telefongespräche gehören zum Werkzeugkasten eines jeden Vertriebsmitarbeiters. Allen voran in Brasilien. Die brasilianische Bevölkerung ist kaum noch ohne Mobiltelefon anzutreffen: international sind sie mit durchschnittlichen 5,4 Stunden einsame Spitze bei der Handynutzung. Das lässt sich auch darauf zurückzuführen, dass Verkaufsgespräche in Brasilien besonders beratungsintensiv sind – auch am Telefon. Vertrauen muss langsam aufgebaut und Rückfragen ausführlich erklärt werden, nur dann kann ein Verkaufsabschluss erzielt werden. So fallen im Laufe eines Gesprächs viele Informationen an, die anschließend per WhatsApp für die Kunden zusammengefasst werden. Erreichen Sie Kunden nicht initial per Telefon, nutzen brasilianische Vertriebler auch hier WhatsApp, um den Grund des Anrufs zu erläutern. Dadurch erhöhen Sie die Chancen auf einen Rückruf.
Fazit zum weltweiten B2B-Vertrieb
Egal ob von Großbritannien, Frankreich, Brasilien oder den USA: Deutsche Vertriebsmitarbeiter können viel von den Methoden und Angewohnheiten ihrer Nachbarländer profitieren. Wichtig ist das auch gerade für internationale Geschäfte. Da ist schon so manch einer in ein Fettnäpfchen getreten. Deshalb ist es essenziell, die Gewohnheiten des Gegenübers zu kennen. Im Bereich der interkulturellen Kommunikation sollten Vertriebsmitarbeiter deshalb regelmäßig Schulungen erhalten, wenn sie international tätig sind.
*Jens Oberbeck ist Vice President of Sales bei Pipedrive.
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