E-Procurement im B2B – Teil 1 Die Digitalisierung des Direktvertriebs im B2B

Autor / Redakteur: Sebastian Keller* / Georgina Bott

Auch im Vertrieb, dem Gegenpart des Einkaufs, beeinflusst die Digitalisierung die klassischen Geschäftsprozesse. B2B-Unternehmen sollten sich daher nicht mehr nur mit der Herstellung eines Produktes sondern auch zunehmend mit dem eigenen Vertrieb, unabhängig vom Großhändler, beschäftigen.

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Durch neu gewonnene, direkte Marketing- und Absatzmöglichkeiten können Produkte den Kunden direkt angeboten werden.
Durch neu gewonnene, direkte Marketing- und Absatzmöglichkeiten können Produkte den Kunden direkt angeboten werden.
(Bild: gemeinfrei / CC0 )

Im traditionellen Vertriebsmodell von B2B-Unternehmen konzentriert sich der Hersteller eines Produkts auf seine Kernkompetenz: die Herstellung. Der Vertrieb wird an Spezialisten ausgelagert, in der Regel an Händler beziehungsweise Großhändler. Während im B2C-Umfeld schon viele Unternehmen den Direktvertrieb wählen – das bekannteste Beispiel sind wohl Tupper-Partys, die bereits in den 1940-er Jahren aufkamen – nahmen Unternehmen im Geschäftskundenbereich lange Abstand davon.

Transparenz ermöglicht Direktvertrieb

Im Kontext der Digitalisierung steigt die Anzahl der für den B2B-Einkäufer relevanten Informationen im Internet zusehends an. So sind Anbieter, Produkte, Preise und Verfügbarkeiten oft mit wenigen Klicks auffindbar. Diese Tatsache eröffnet eine ganz neue Konkurrenzsituation zwischen Unternehmen. Darüber hinaus legt diese Transparenz einen wichtigen Grundstein für das Aufleben des digitalen Direktvertriebs im B2B-Umfeld.

Das resultiert daraus, dass B2B-ler ihre Kaufentscheidungen verstärkt so treffen wie Privatpersonen, nämlich basierend auf einer Vielzahl von Informationen, die sie über Internetrecherche gewinnen. Die Erklärung ist denkbar einfach: Die gleichen Leute, die tagsüber gewerblich unterwegs sind, stellen im Beruf mittlerweile die gleichen Anforderungen an User Experience und Customer Journey wie auch in ihrer Freizeit.

Auswirkungen auf Intermediäre

Durch die neu gewonnenen, direkten Marketing- und Absatzmöglichkeiten können Produkte den Kunden direkt angeboten werden. Intermediäre verlieren im immer komplexer werdenden Beschaffungsprozess deshalb zunehmend an Bedeutung. Händler oder Großhändler sind häufig keine Spezialisten hinsichtlich der angebotenen Produkte und können den Käufern entsprechend wenig Zusatzinformationen bieten, die eine Kaufentscheidung erleichtern würden. Der Mehrwert, den sie Einkäufern bieten, ist folglich im Vergleich zu professionell aufgesetzten und gepflegten E-Shops oder Marktplätzen, gering.

Neben der reinen Infrastruktur bekommt der Direktvertrieb Aufwind durch die Möglichkeit, historische Nutzerdaten anhand von Machine-Learning-Algorithmen zielgenau zu analysieren und auszuwerten. So können potenzielle Käufer gefunden und im richtigen Moment angesprochen werden.

Aber auch für den Abnehmer gibt es Vorteile. So sind häufig nicht nur Preis und Verfügbarkeit wichtig, sondern vor allem auch ein verlässlicher Partner. Durch den Direktkontakt zum Hersteller bietet sich die Möglichkeit, eine enge Beziehung zwischen Kunde und Hersteller aufzubauen. Darüber hinaus bekommen Abnehmer durch die neue Transparenz, die Möglichkeit potenzielle Verkäufer selbst ausfindig zu machen und etwaige Bedarfe unkompliziert, ohne die Einbindung Dritter, zu besprechen und zu präzisieren.

Auswirkungen auf die Rolle des Vertriebs

Mit dieser Entwicklung ändert sich auch das Berufsbild des Vertrieblers. War seine Hauptaufgabe bis dato, Produkte zu verkaufen, so verlagert sich der Fokus seiner Arbeit immer mehr auf die zielgerichtete Beratung. Ein Vertriebler wird künftig stetig besser informierten Kunden (Einkäufern) gegenübertreten, die kein klassisches Verkaufsgespräch, sondern eher ein Beratungsgespräch fordern. Ein Grund hierfür ist, dass die Komplexität der Produktpaletten steigt und Produkte zunehmend technischer werden. Somit fließen neben Preis, Verfügbarkeit oder Qualität immer mehr Parameter in die Kaufentscheidung ein. Eine gute Beratungsgrundlage schaffen beispielsweise B2B-Marktplätze. Mit ihrer Übersicht über Katalogware und komplexe Nischenprodukte bündeln sie Informationen transparent an einem Ort.

Direktvertrieb in Planung einbeziehen

Der Direktvertrieb ersetzt den indirekten Vertrieb über Intermediäre in der Regel nicht komplett. Vielmehr fungiert er als zusätzlicher Absatzkanal in einer Multi-Channel-Strategie, der zusätzliche Cross- und Upsell-Möglichkeiten eröffnet. Der Direktvertrieb hat aber einen ganz entscheidenden Vorteil in einer Geschäftswelt, die durch Automatisierung droht, immer anonymer zu werden. Direkte Vertriebswege bringen Käufer und Kunden näher zusammen. Der direkte Anknüpfungspunkt erleichtert es den Vertrieblern, und so auch den Einkäufern, eine vertrauensvolle und belastbare Geschäftsbeziehung aufzubauen. Zusätzlich eröffnet er eine neue Möglichkeit der Kundengewinnung, indem Kunden Unternehmen nun auch einfacher selbstständig finden.

Für Unternehmen ist es deshalb nur ratsam, den Direktvertrieb in strategische Planungen mit zu integrieren und die Möglichkeiten, die die Digitalisierung zur Realisierung dieser Strategien bietet, voll auszuschöpfen.

Vorschau Teil 2

Schon lange wird über die Automatisierung oder Vernetzung in der Produktion gesprochen und welche Potenziale diese Prozesse mit sich bringen. Aber auch in anderen Unternehmensbereichen, wie in der Beschaffung, zeichnen sich Trends ab, die diesen Bereich nachhaltig transformieren werden. Was die Automatisierung in der Beschaffung bedeuten kann, lesen Sie in Teil zwei der Serie „E-Procurement im B2B“.

* Sebastian Keller ist Senior Director Product bei „Wer liefert was?“.

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