Expertenbeitrag

 Torben Fangmann

Torben Fangmann

Leiter strat. Marketing & Business Development, LMZ Lenkering

Expertenbeitrag: B2B Marketing Days 2022 Gib der Maschine ein Gesicht – Markenführung in der Industrie

Von Torben Fangmann

Anbieter zum Thema

Marke – nicht das beliebteste Thema. Zumindest nicht, wenn man im B2B Mittelstand arbeitet. Im Land der Ingenieure zählen andere Dinge, nämlich Zahlen und Fakten. Marke – das ist etwas für Klamotten und den Supermarkt. Oder?

Markenführung wird zur zentralen Disziplin im B2B. Wie damit erfolgreich durchstarten?
Markenführung wird zur zentralen Disziplin im B2B. Wie damit erfolgreich durchstarten?
(Bild: gemeinfrei / Unsplash)

Ich denke an meine Anfänge im Marketing zurück. Eine Situation, die die meisten B2B Marketer sicherlich in der ein oder anderen Form schon einmal erlebt haben: Marketing macht Kommunikation. Marketing macht dieses Social Media. Marketing kümmert sich um die Werbemittel. Marketing macht bunte Bilder. Von Marketing auf strategischer Ebene ist wenig zu sehen. Noch dünner wird es, schaut man sich die Teildisziplin der Markenführung an. Doch warum ist das so?

B2B Mittelstand: Technik sells

Pauschalisierungen sind immer schwierig. Schwieriger noch, wenn es um einen so großen Bereich wie den B2B Mittelstand geht. Dennoch lassen sich einige Faktoren beobachten, die diesen Bereich prägen und sich auf die Stellung von Marke in der hiesigen Industrie auswirken.

An der Spitze steht die Technik

Wir sind uns einig: Die Führungsetage hat den stärksten Einfluss auf die Ausrichtung und Entwicklung eines Unternehmens. Doch wer steht ganz oben? In deutschen Mittelstands- und Familienunternehmen ist das in der Regel der Product Guy. Ob Maschinenbau, Produktionstechnik, oder eine werkstoffspezifische Fachrichtung – im Land der Technik steht der Ingenieur ganz oben. Speziell für das operative Geschäft und die Produktentwicklung ist das extrem wertvoll. Für die strategische Ausrichtung des Unternehmens heißt das aber auch: Im Zentrum steht das Produkt, nicht der Markt.

Knallharter Vertrieb, ehrliche Technik, und rationale Kunden

Den Umsatz im B2B Mittelstand bringt der klassische Vertrieb. Je nach Unternehmensgröße übernimmt das noch die Geschäftsführung selbst, oder ein Team aus Vertrieblern (genderneutrale Sprache erübrigt sich hier übrigens in den meisten Fällen). Dem gegenüber steht der Kunde. Ein rationales Wesen, irgendwo zwischen Mensch und Unternehmensfunktion. Jemand, der zum Wohle des eigenen Unternehmens einkauft. Im Zentrum der Transaktion: Ehrliche Technik, die vom Vertriebler erklärt, verkauft, und vom Kunden auf Basis der Fakten für gut befunden wird. Deal!

Wozu also Marke?

Wir B2B Mittelständler verkaufen ehrliche Technik, und darauf sind wir stolz. Nicht mehr, nicht weniger. Das Ganze muss nicht umhüllt werden von einer Fassade aus Marken-Schnick-Schnack. Wir brauchen keine Show, um unsere Kunden zu vernebeln und unsere Produkte zu verkaufen.

Diese Denkweise ist nachvollziehbar, liegt sie doch der oben beschriebenen Technik-Perspektive zugrunde. Die Problematik ist, dass sie auf grundlegenden Fehlinterpretationen von B2B Geschäftsbeziehungen und B2B Markenführung beruht. Das ist wenig verwunderlich. Wo soll tiefes Know-how über Marketing und Marke auch herkommen? Hinzu kommt, dass Marke abstrakt ist. Sie ist nicht anfassbar. Das Salz in der Suppe aus Zahlen, Daten, Fakten. Oder?

Volle Fahrt ins Zeitalter der B2B Marken?

In manch einer Nische mag das oben beschriebene Prinzip noch genau so funktionieren. Übergreifend gehört es wohl sehr bald der Vergangenheit an. Nicht etwa, weil B2B Unternehmer plötzlich auf den Geschmack gekommen sind, sondern vielmehr, weil sie gar keine andere Wahl haben. Viele Mittelständler sind groß geworden mit echter Innovation. Es gab Zeiten, da war technologischer Fortschritt etwas, womit man sich langfristig eine starke Wettbewerbsposition aufbauen konnte. Nur heute? Heute gleichen sich viele Produkte wie ein Ei dem anderen. Wer technischen Fortschritt umsetzt, schafft sich in den meisten Fällen lediglich einen kurzfristigen Vorsprung. Die kurzen Innovationszyklen und die Angleichung von Produkten fordern ihren Tribut.

Warum also kaufen Kunden bei uns, wenn sich doch unser Technologiestandard nicht signifikant von dem der Marktbegleiter unterscheidet? Steckt vielleicht doch mehr dahinter als reine Rationalität? Langsam, aber sicher wächst das Verständnis für den "emotionalen Käufer". Eigentlich ist es den meisten B2B Entscheidern längst klar. Selbst der technik-verliebteste Geschäftsführer erzählt stolz von seinen langjährigen, sorgsam gepflegten Kundenbeziehungen. Natürlich ist uns allen bewusst, dass ein B2B Käufer eine 500-Tausend-Euro Anlage nicht als wilden Impulskauf tätigt. Aber die Tatsache, dass weiche Faktoren neben den harten Zahlen eine Rolle spielen, ist unbestreitbar.

Hier kommt Marke ins Spiel. Aber nicht als billiger Showeffekt, nicht als Fassade. Marke differenziert, wo Produkteigenschaften allein es nicht mehr können. Marke schafft Vertrauen und Identifikation bei Käufern, die durchaus Emotionen besitzen. Und Marke ist letztlich der wichtigste Partner des im B2B so stark vertretenen Vertriebs. Denn Marke ist in den Köpfen der Menschen, selbst wenn der Vertriebler gerade nicht im Raum ist. Marke öffnet Türen, und schließt Deals ab. Marke und Vertrieb, Marke und Produkt, alles spielt zusammen. In Kombination sind sie unschlagbar. Höchste Zeit also, Marke auf die Pole Position in Unternehmen zu heben.

Der Weg zur Pole Position für Marke im B2B

Schritt 1: Mach' Marke verständlich

Um tatsächlich relevante Markeneffekte zu erzielen, braucht es zunächst ein klares Verständnis von Marke – vor allem auf der Management-Ebene. Einer der größten Trugschlüsse ist meiner Erfahrung nach die Annahme, man könne Marke entweder „machen“ oder auch nicht. Jedoch entsteht Marke aus Wahrnehmung. Wo Wahrnehmung ist, ist auch Marke. Marke ist Wirkung. Ein Bild in den Köpfen der Zielgruppen. Unternehmen obliegt also nicht die Entscheidung, ob sie Marke machen wollen oder nicht. Sie haben lediglich die Wahl, ob sie die Wirkung dem Zufall überlassen, oder aktiv steuern möchten. Wird dieses Setting klar, ist ein wichtiger Grundstein gelegt. Im nächsten Step empfehle ich unbedingt zu verhindern, dass Marke als sinnlose Aneinanderreihung wahlloser Wertvorstellungen missverstanden wird. „Wir sind innovativ, familiär und partnerschaftlich.“ Na Glückwunsch. So hat Marke keinen Wert. Auf Management-Ebene muss klar sein, dass Markenarbeit Verpflichtung bedeutet. Schlicht gesagt: Keine großen Worte ohne große Taten. Wie genau möchten wir innovativer sein als alle anderen? Was genau macht uns besonders partnerschaftlich? Fragen, die dringend Antworten benötigen. Hier noch ein paar weitere wichtige Basics, um Marke von Beginn an verständlich zu machen:

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  • Marke erfindet keine abstrakten, neuen Dinge, sondern setzt an den bestehenden Wurzeln des Unternehmens an, und bündelt das Besondere darin.
  • Markenführung und klassischer Vertrieb sind keine Gegenpole, sondern agieren in Symbiose miteinander.
  • Marke beginnt nicht in fancy Social-Media-Feeds, sondern bereits in der alltäglichen Kundenkommunikation.
  • Marke ersetzt nicht die Technik, sondern die Technik ist zentraler Bestandteil einer starken Marke.

Schritt 2: Mach' Marke relevant

Das Verständnis von Marke auf Management-Ebene ist ein wichtiger Anfang, doch nicht hinreichend, um das Thema mit dem nötigen Nachdruck in die Umsetzung zu bringen. Marke braucht Relevanz. Idealerweise wird diese Relevanz direkt am Kunden erkannt. Der Kunde ist zumeist der wichtigste Treiber für Veränderung im B2B. Natürlich ruft Kunde X nicht einfach an und fragt nach, ob denn heute schon etwas für die Marke getan wurde. Signale kommen auf andere Art und Weise – beispielsweise im Rahmen von strukturierten Kundeninterviews. Ich empfehle grundsätzlich, regelmäßig solche Interviews zu führen, denn die Informationen, die sich daraus ergeben, sind Gold wert. Wenn Kunden im Gespräch signalisieren, dass es für sie auf mehr ankommt als auf das bloße Produkt, dann ist das Wind auf die Segel der Markenarbeit. Halte Ausschau nach Formulierungen rund um Vertrauen, Sicherheit, Kommunikation, etc., und nutze die Ergebnisse zur Argumentation.

Schritt 3: Mach' Marke konkret

Die Schwierigkeit am Thema Marke: Es ist abstrakt. Ist der Rückhalt aus dem Management gegeben, gilt es das Thema also konkret zu machen. Denn was nützt all die gute Absicht, wenn in der Praxis niemand etwas damit anzufangen weiß? Fakt ist: Marke wird nicht in irgendeiner Kommunikationsabteilung umgesetzt, sondern im gesamten Unternehmen und von jedem Mitarbeiter. Das bedeutet auch, dass Markenführung immer intern beginnt. Eine starke Markenidentität ist die Summe derjenigen Menschen, die die Marke verkörpern. Meine Empfehlung an der Stelle ist so simpel wie wirksam: Lass' die Leute teilhaben. Entwickle die Marke in Co-Kreation mit den Mitarbeitern. Das ist ein großer Vorteil im Mittelstand – hier geht das noch. Wer selbst an einer Identität mitwirkt, der wird dies mit höherer Wahrscheinlichkeit auch nach außen verkörpern. Das Zauberwort lautet „Identifikation“. Ob über Befragungen oder Team-Workshops – es gibt diverse Möglichkeiten, um viele interne Stakeholder an der Marke partizipieren zu lassen, und den Leuten aufzuzeigen, wie sie ganz persönlich in ihrem Arbeitsbereich Markenwirkung realisieren können. Wichtig ist, dass Marke, wenn sie als zentrale Disziplin verstanden wird, nicht aus einem Elfenbeinturm heraus definiert und über empathielose Guidelines ins Unternehmen gedrückt wird, sondern dort entsteht, wo Wertschöpfung geschieht, und wo Kundenbeziehungen wachsen: Bei den Menschen im Unternehmen. Und damit haben wir die perfekte Überleitung zum letzten Schritt ...

Schritt 4: Mach' Marke menschlich

Speziell in beratungs-, entwicklungs- und service-intensiven B2B Unternehmen sind es die Mitarbeiter, die das Bild der Marke in den Köpfen der Zielgruppen prägen. Der Vertrieb in der Beratung, die Projektmanager innerhalb der Umsetzung, oder die Monteure bei Inbetriebnahme und Service. Alle Kontaktpunkte zum Kunden sind Akzente, die auf die Wahrnehmung einzahlen. Wir erkennen: Marke und Mensch, Mensch und Marke sind untrennbar miteinander verbunden. Kein Wunder, dass Personal Branding einen Allzeit-Hype erlebt. Leider wird das Thema zu oft auf die Online-Vermarktung der eigenen Person auf LinkedIn verkürzt. Dabei ist die Plattform lediglich ein Kanal, der nachgelagert genutzt werden kann (und oft auch sinnvoll ist). Personal Branding in Symbiose mit B2B Markenführung auf Unternehmensebene setzt tiefer an. Es ist die gezielte Ausarbeitung der Identitäten von Mitarbeitern, die Bündelung ihrer Werte und Stärken, und die Verknüpfung mit ihrer Funktion und der Unternehmensmarke, die sie repräsentieren. Schafft man diese Symbiose, wachsen die eigenen Mitarbeiter zu zentralen Markenbotschaftern an den relevantesten Touchpoints zum Kunden heran: Im alltäglichen Kontakt. Es lohnt sich also, in Markenführung auf Personenebene zu investieren.

Wie das Ganze funktioniert, und wie wir bei LMZ das Thema im Maschinenbau umsetzen, dazu erzähle ich mehr auf den diesjährigen B2B Marketing Days.

Mehr zum Thema

Vortrag auf den B2B Marketing Days 2022

Sie haben Lust tiefer in das Thema „Markenführung in der Industrie” einzutauchen? Dann besuchen Sie den Vortrag „Gib der Maschine ein Gesicht! – Eine Geschichte von Marke, Mensch & Maschinenbau.” von Torben Fangmann auf den marconomy B2B Marketing Days vom 11. bis 12. Oktober 2022 live in Würzburg!
Sichern Sie sich jetzt noch Ihr Ticket und seien Sie dabei, wenn sich Marketer aus Industrie- und Technologieunternehmen zu aktuellen Themen und Trends aus B2B Marketing austauschen!

Bis dahin hoffe ich, ich konnte mit meinem Beitrag ein Verständnis dafür schaffen, welchen Wert Marke für uns mittelständische Industrieunternehmen hat, und dem ein oder anderen mutigen Verfechter der Marke dabei helfen, das Thema fest bei sich im Unternehmen zu verankern.

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